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Voller Einsatz im Urlaub Voller Einsatz im Urlaub: Köthener Ärztin hilft vier Wochen in Klinik in Tansania aus

Von Matthias Bartl 05.03.2019, 13:14
Andrea Riedel vor der Helios-Klinik in Köthen. Für vier Wochen arbeitet sie in einem Krankenhaus in Tansania.
Andrea Riedel vor der Helios-Klinik in Köthen. Für vier Wochen arbeitet sie in einem Krankenhaus in Tansania. Bartl

Köthen/Arusha - Den höchsten Berg Afrikas kann Dr. Andrea Riedel ab Montag jeden Tag sehen, wenn sie will. Und wenn der Himmel im nördlichen Tansania nicht zu wolkenverhangen ist. Von Arusha ist das Kilimandscharo-Massiv mit dem 5.895 Metern hohen Kibo gerade mal rund 90 Kilometer entfernt.

Zeit, um den schneebestäubten Riesen zu besteigen, wird die 29-Jährige aber kaum haben. Schließlich fliegt sie nicht als Touristin in das ostafrikanische Land. Andrea Riedel, Ärztin in der Chirurgie der Helios-Klinik Köthen, hat die über 9.000 Kilometer Luftlinie weite Reise auf sich genommen, um vor Ort zu helfen. Als Medizinerin in der Olorien Community Clinic der Halbmillionen-Stadt. Auch wenn die Klinik auf einem verhältnismäßig hohen Niveau arbeitet – eine Herausforderung wird der Job für die junge Frau allemal sein.

Das freilich schreckt Andrea Riedel nicht. „Ich hatte schon immer den Wunsch, an einem Auslandprojekt teilzunehmen“, sagt sie. Schon als sie noch auf das Köthener Ludwigsgymnasium ging, wo sie 2008 ihr Abitur ablegte, hat sie im Sozialkundeunterricht Vorträge gehalten, die in diese Richtung gingen.

Um zu helfen lässt Andrea Riedel die Komfortzone gern hinter sich

Zum Beispiel über „Ärzte ohne Grenzen“. Selbst über einen Auslandseinsatz im Rahmen der Bundeswehr hat sie nachgedacht, dies dann aber doch verworfen. Auch ein Einsatz für die „Ärzte ohne Grenzen“ ließ sich derzeit noch nicht verwirklichen. „Zum einen suchen die mehr Fachärzte, und das bin ich noch nicht. Zum anderen sind diese Projekte für einen längeren Zeitraum angelegt, für drei bis sechs Monate.“ So viel Zeit steht Andrea Riedel nicht zur Verfügung. Sie kann vier Wochen lang helfen – länger geht der Urlaub nicht, den die Ärztin für ihren Job in Arusha opfert.

Wobei sie selbst dies sicher nicht als Opfer bezeichnen würde. Riedel hat starke Motivationen für ihren Einsatz. „Die Welt“, sagt sie, „ist unser aller Zuhause. Ich hatte Glück, hier geboren zu sein, behütet aufzuwachsen, freien Zugang zu Bildung zu haben.“ Andere hatten dieses Glück nicht – und denen zu helfen, praktisch und wirksam, auf einem grundlegenden Terrain wie der Gesundheit, dafür lässt Andrea Riedel die Komfortzone gern hinter sich. Wie ernst sie die Sache nimmt, auch in den Details, kann man auch daran sehen, dass sie zum Englisch, mit dem sie in Tansania problemlos zurechtkommen würde, auf einem Youtube-Kanal noch ein wenig Swahali gelernt hat – ein Suaheli-Dialekt, der rund um Arusha gesprochen wird.

Auch ihre Chefin, Prof. Brigitte Kipfmüller, hat dem Plan der jungen Kollegin sofort zugestimmt

Auf Arusha ist sie durch „STEP Africa“ gekommen, ein in deutsch-tansanischer Zusammenarbeit gegründetes Sozialunternehmen. Andrea Riedel war im Internet auf „STEP“ gestoßen. Der Kontakt kam schnell und unbürokratisch zustande. „Ich fühle mich gut betreut und habe ein gutes Bauchgefühl“. Sie musste nicht lange überlegen, um zuzusagen.

Auch ihre Köthener Chefin, Prof. Brigitte Kipfmüller, hat dem Plan ihrer jungen Kollegin sofort zugestimmt, obwohl „vier Wochen Urlaub am Stück sonst nicht üblich sind“. Aber zufälligerweise hat die Chefärztin der Chirurgie in der Helios-Klinik über das Normalmaß hinausgehende Kenntnisse vom Gesundheitswesen in Tansania und davon, wie herausfordernd und Hilfreich gleichermaßen solch ein Einsatz sein kann: Ihr Stiefsohn hat während des Studiums einen Teil seiner Famulatur an einer Klinik in Tansania absolviert: „Er ist zurückgekommen und hatte in seinem Praktikum buchstäblich alles erlebt – von der Entbindung bis zur Schusswunde.“

Nur die emotionale Seite der Zeit in Arusha, die vermag Andrea Riedel noch schlecht abzuschätzen

Andrea Riedel weiß, dass es kein Zuckerschlecken sein wird, in Arusha Kranke und Verletzte zu verarzten. „Man ist der Typ dafür oder man ist es nicht“, sagt sie und ist überzeugt, dass sie gut zurechtkommen wird. Wenn sie Urlaub mache, dann sei das ein Rucksackurlaub. Im vergangenen Jahr war sie in Nepal. „Da hatte ich den Hinflug gebucht, das erste Hotel und den Rückflug.“ Die Zeit dazwischen bestand aus Abenteuer und sich auf eine andere Welt einzulassen.

Außerdem, da sind sich Riedel und Kipfmüller einig, gehe sie mit einer richtig guten Grundlage an den Äquator und müsse keine Angst davor haben, was vielleicht medizinisch auf sie zukommt. Nur die emotionale Seite der Zeit in Arusha, die vermag sie aus mitteleuropäischer Sicht schlecht abzuschätzen.

Die Behandlung sogenannter „Feuerkinder“ zum Beispiel: In Ostafrika kochen die Ärmsten der Armen in ihren Hütten an offenen Feuerstellen. Häufig krabbeln Kleinkinder in diese Feuerstellen und ziehen sich schreckliche Brandverletzungen zu, die kaum einmal ärztlich versorgt werden und bleibende Schäden und Behinderungen hinterlassen können. In Deutschland völlig unvorstellbar.

Ihre 30 Kilo Freigepäck hat sie komplett mit Spenden für Kinderheime in Tansania ausgeschöpft

Wenn dieser Text erscheint, ist die Frau aus Weißandt-Gölzau schon in Ostafrika angekommen und hat ihre ersten Patienten gesehen. Fünfzehneinhalb Stunden dauert es von Tegel über Doha nach Arusha zu fliegen. Ihre 30 Kilo Freigepäck hat sie komplett mit Spenden für Kinderheime in Tansania ausgeschöpft, Bekleidung und anderen Dingen, die ihr Freunde und Kollegen aus der Helios-Klinik mit auf dem Weg gegeben haben. „Ich komme mit dem Handgepäck aus“, ist sie sicher. Ihre Gitarre bleibt auch

in Deutschland, aber vielleicht nimmt sie ja ihren Zeichenblock mit und bringt noch zusätzlich ganz besondere Erinnerungen aus Tansania wieder mit nach Hause.

Wer wissen möchte, was Andrea Riedel in Arusha erlebt, der kann die Internetseite www.fernluft.de besuchen, die sie extra für ein Reisetagebuch angelegt hat. Dieses will sie auf alle Fälle führen – falls es die Internetverbindung zulässt. (mz)