1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Köthen
  6. >
  7. Ungesäuertes Brot und reichlich Wein

Ungesäuertes Brot und reichlich Wein

Von Katharina Schultz 06.04.2007, 16:40

Gröbzig/MZ. - Seit neun Jahren schon bietet sie dem Museumspublikum die Gelegenheit, das jüdische Pessachfest mitzuerleben. Auch in diesem Jahr fanden sich aus diesem Anlass viele alte, aber auch neue Besucher am Donnerstag vor Ostern in der Gröbziger Synagoge ein.

Die Gäste erwartete eine festlich geschmückte Tafel, an der sie auf Sitzkissen oder Stühlen ihre Plätze einnehmen durften. Das Pessachfest, welches mit dem Sederabend begangen wird, kann sieben oder auch acht Tage dauern, je nach dem, ob es am Ende noch einen weiteren Hauptfeiertag gibt. Zum

Seder, dessen Vorführung das Publikum an diesem Donnerstagabend miterleben durfte, gehört, dass bestimmte Speisen mit symbolischer Bedeutung in festgelegter Reihenfolge gemeinsam eingenommen werden. Währenddessen werden die entsprechende Bibelstelle und Erklärungen aus der Pessachliturgie, der Haggada, welche die Bedeutung der Speise erklärt, verlesen.

Das stärkste und "greifbarste Symbol", wie Musiker und Referent Elija Schwarz erklärt, ist die Mazzot. Das ungesäuerte Brot wird "in Gedenken an die Zeit des Auszuges der Israeliten aus Ägypten und der damit verbundenen Befreiung aus der Sklaverei gegessen", wie der Kantor aus Halle erklärt. "Ihnen blieb damals keine Zeit, das Brot gären zu lassen", so Schwarz weiter. Brauch ist es auch, dass ein Stück der mittleren, von drei übereinander gelegten dünnen Brotscheiben, gebrochen und im Haus versteckt wird, um später von den Kindern gesucht zu werden.

Der Wein, der an diesem Abend reichlich nachgeschenkt wurde, steht für die Lebensfreude. Zugleich erinnern die vor dem Verzehr in Salzwasser getränkten Kräuter an den Kummer und die Trauer, die mit dem Auszug aus Ägypten verbunden waren.

Eine weitere Tradition des Seder ist, dass alle Anwesenden die zehn Plagen, welche von Gott über die Ägypter gebracht wurden, aufzählen und dabei ihren Wein verschütten. Bei der Vorführung hielt man es so, dass die Gäste den in Wein getunkten Finger nach jeder aufgezählten Plage auf ihrem Teller abspritzten.

Ähnlich wie das Osterfest gehört das jüdische Pessach zu den höchsten Festen seiner Religion. Polina Sheyko, Mitglied des jüdischen Kulturvereins, welcher am Donnerstag erneut vertreten war, hat die Feierlichkeit wieder gut gefallen. Und auch die Neugier von Besuchern aus anderen Religionen wurde nicht enttäuscht. "Mich hat interessiert, wie Menschen anderer Kulturen Ostern feiern", sagte Margot Schoch, für die es zugleich der erste Besuch in einer Synagoge war. "Es ist sehr schön, hier zu sein", hielt die Dessauerin zufrieden fest. Einige der Feiernden kamen bereits zum neunten Mal zum Pessach feiern in die Gröbziger Synagoge, so zum Beispiel auch Rainer Rausch und dessen Frau. Die wichtigste Lehre, die der Evangelist aus dem jüdischen Fest zieht, ist, dass keine sich über den anderen erheben sollte. "Dieses gegenseitige Verständnis sollte bereits in der Ehe beginnen", findet der Hallenser.

Marion Mendéz ist es wichtig, den Besuchern die Bedeutung von Pessach und Seder näher zu bringen. "Wir feiern es in der Form, wie es in der Familie gefeiert wird", so die Leiterin der Synagoge. "Jede Generation soll an die Ursprungstradition ihres Volkes erinnert werden und an die Notwendigkeit, die Freiheit zu erringen", so Elija Schwarz zur heutigen Bedeutung des Pessach.

Den Anlass zur ersten Vorführung des Pessach und zur Gründung einer Theatergruppe gab der Besuch des "Living Theaters" aus New York, das 1998 zur Pessachzeit in der Synagoge weilte. Ganz nach Tradition des "Living Theaters", "welches für gewaltfreie Revolution steht", wie Frau Mendéz erzählt, wird beim Verzehr des mehrgängigen Festmahls, welches im Anschluss an die symbolischen Speisen folgt, darauf geachtet, dass die servierten Speisen nicht nur, wie für das Pessachfest typisch koscher, sondern auch vegetarischer Art sind.

Auch die Auflockerung des Abends beispielsweise durch die unterhaltsamen Anekdoten von Bartel Wesarg entstammen dieser Tradition. Die christlichen Kartage und das Osterfest, die in diesen Tagen begangen wird, haben ihren Ursprung im Übrigen im jüdischen Pessach.