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Selber lenken Selber lenken: Bei Jana Schroeder-Grams aus Piethen kann man den Kutschenführerschein machen

Von Doreen Hoyer 24.03.2018, 11:00
Los geht’s: Wenn die Strecke über huckelige Straßen führt, muss die Redakteurin ihren Block gut festhalten.
Los geht’s: Wenn die Strecke über huckelige Straßen führt, muss die Redakteurin ihren Block gut festhalten. Heiko Rebsch

Piethen - „Felix ist eine „Lebensversicherung“, wie Jana Schroeder-Grams betont. Der 21-jährige Haflinger hat so viel Erfahrung und strahlt so viel Ruhe aus, dass die Kremserfahrt gleich besonders entspannt verläuft. Zusammen mit Haflinger-Kumpel Nash zieht Felix den Kremser durch Piethen - und Jana Schroeder-Grams vom örtlichen Reit- und Fahrhof erklärt dabei, wie das geht: eine Pferdekutsche steuern.

Nachdem sie zusammen mit ihrem Mann Wilhelm Grams die Pferde angespannt hat, bleibt er erst einmal vorn bei den Tieren stehen, während sie sich auf den Kutschbock setzt. „Der Fahrer nimmt immer zuerst Platz“, sagt Jana Schroeder-Grams. Sollten die Tiere unruhig werden, hätte man sie sonst nicht unter Kontrolle.

Der Kutscher sitzt rechts auf dem Bock, neben ihm sein Beifahrer

Dann geht es los. Die Verbindung zu den Pferden hält die Chefin des Piethener Reithofes über Leinen. Der Kutscher sitzt übrigens rechts auf dem Bock, neben ihm sein Beifahrer - an diesem Tag ist das ausnahmsweise die MZ-Reporterin. Ähnlich wie beim Auto hat Schroeder-Grams Pedale zu ihren Füßen - je eine Bremse für die Vorder- und die Hinterachse des Kremsers.

Dazu kommt ein Schalter für den Blinker. Wenn er an ist, ertönt zur Bestätigung ein Piep-Geräusch. Wichtige Hilfsmittel sind auch die Peitsche - mit der Schroeder-Grams allerdings nicht schlägt, sondern die Pferde nur antippt - und die Stimme des Fahrers, mit der er seine Kommandos gibt.

Der Kremser nähert sich einer Links-Kurve. Und nun? Grob gesagt: Geschwindigkeit drosseln. Blinker setzen oder Handzeichen geben. Sich vergewissern, dass die Straße frei ist. Mit der äußeren Leine nachgeben, sie also locker lassen - das wäre in diesem Fall die rechte. Gleichzeitig die innere, linke Leine etwas kürzer halten. So werden die Pferde zur Biegung angeleitet.

Mit zehn bis 15 Stundenkilometern ist die Pferdkutsche im „Zuckeltrab“ unterwegs

Und ganz wichtig: Räumlich denken. Je größer das Gefährt, desto leichter bleibt man irgendwo hängen. „Man muss schon manchmal ganz schön ausholen, um rumzukommen“, sagt Jana Schroeder-Grams. Aufpassen muss man auch, dass alle Pferde - in diesem Fall zwei - gleichermaßen mitmachen. Zwischendurch nämlich hält sich Nash gern ein bisschen zurück und lässt Felix mehr arbeiten.

Auf der Straße wird das Gespann ab und zu von Autos überholt - kein Wunder bei zehn bis 15 Stundenkilometern im „Zuckeltrab“. Die Autos fahren langsam vorbei und scheren mit großem Abstand wieder ein. So muss das sein. Aber Jana Schroeder-Grams kennt es auch anders. Einige Autofahrer ließen schon die Rücksicht vermissen, sagt sie. „Sie fahren sehr schnell oder eng vorbei. Oder scheren direkt vor den Pferden wieder ein - kein Wunder, dass die Tiere sich dabei manchmal erschrecken.“

Sie hat schon einiges erlebt: Einmal hätten zwei Motorradfahrer extra auf Höhe der Pferde abgebremst, um dann direkt neben ihnen mit viel Krach wieder zu beschleunigen. „Da wären mir die Pferde beinahe durchgegangen. Ich denke, das war Absicht.“ Ein anderes Mal schlug ein Blitz ganz in der Nähe der Kutsche ein - ein Schreck für Pferde und Mensch gleichermaßen.

Jana Schroeder-Grams bietet einen Kurs an, in dem man den Kutschenführerschein ablegen kann

Kutschefahren kann man in Piethen lernen. Jana Schroeder-Grams bietet einen Kurs an, an dessen Ende man die Prüfung sowohl für das sogenannte Fahrabzeichen 5 als auch für den Kutschenführerschein ablegen kann. Mit ersterem kann man an Turnieren teilnehmen und muss Mitglied in einem Verein sein. Das ist beim Führerschein nicht Bedingung. Ihn gibt es erst seit Mitte 2017 - als Nachweis für die Befähigung, eine Kutsche zu steuern.

An so einem Kurs, der über vier Wochenenden geht, können sechs bis acht Personen teilnehmen. „Mehr schaffe ich nicht. Es muss ja jeder genug praktische Erfahrung sammeln können“, erklärt Jana Schroeder-Grams. Sie selbst fährt schon seit 1987 Kutsche. Normalerweise seien die Kurse gut besucht.

Doch bei dem, der Mitte März beginnen sollte, sagten kurz vorher mehrere Teilnehmer ab. Darum gibt es noch freie Plätze für den nächsten Kurs, der auf Mai verschoben wurde. Die Kosten belaufen sich auf etwa 300 Euro pro Person.

Alle fünf Jahre muss der Kutschenführerschein erneuert werden

Den Kutschenführerschein gibt es in Klasse A für Privatleute und in Klasse B für Gewerbetreibende. Alle fünf Jahre muss er erneuert werden. Die Einführung eines solchen Führerscheins sei auch ein Signal gewesen, sagt Jana Schroeder-Grams. Die Neuerung wurde von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung beschlossen.

Nachdem sich Berichte über schwere Unfälle mit Pferdekutschen häuften, soll der Führerschein verdeutlichen, dass die Kutschenfahrer nicht einfach drauflosfahren, sondern sich Fachwissen angeeignet haben - vor allem in puncto Sicherheit im Straßenverkehr. „Es hat schon immer Unfälle gegeben. Aber durch Facebook und dergleichen erfahren mehr Leute davon und es entsteht der Eindruck, dass es mehr gebe als früher“, meint die Chefin des Piethener Hofes.

Nicht jedes Pferd ist zum Kutscheziehen geeignet

Ihren Fahrschülern schärft sie ein: „Ihr müsst immer mitdenken. Wir sind die Exoten auf der Straße. Die meisten Autofahrer begegnen Gespannen nicht allzu oft.“ Sie bildet Pferde auch selbst zum Kutscheziehen aus. Nicht jedes sei vom Temperament her geeignet, berichtet sie. Und man müsse die Tiere langsam an den Straßenverkehr gewöhnen - zum Beispiel, indem man sie auf Koppeln in der Nähe einer Straße stellt.

Nach der Ausfahrt ist noch einmal Konzentration gefragt beim Abspannen. Fahrer und Beifahrer nehmen den Tieren zusammen das Geschirr ab. Würde ein Tier sich jetzt erschrecken und quasi halbangespannt loslaufen, wäre das sehr gefährlich. Aber Nash ist tiefenentspannt. Und Felix, die „Lebensversicherung“, sowieso. (mz)

Felix und Nash ziehen den Kremser - unter der fachkundigen Anleitung von Jana Schroeder-Grams.
Felix und Nash ziehen den Kremser - unter der fachkundigen Anleitung von Jana Schroeder-Grams.
Heiko Rebsch