Ritter als Vorfahre Ritter als Vorfahre: Leipziger "trifft" seinen Urahnen in Reupzig

Südliches Anhalt - Das hätte sich Ritter Hans von Rauchhaupt auf Reupzig sicher nicht träumen lassen, dass er nach 446 Jahren, am 16. März 2016, von einem Nachfahren Besuch erhalten würde. Dass Bernd von Rauchhaupt (46) bei seiner Visite in Reupzig vor allem die Kirche interessierte, hat einen besonderen Grund. An deren Nordwand findet sich das eingemauerte Epitaph seines Vorfahren Hans.
In der Ortschronik von Reupzig ist zu Hans von Rauchhaupt vermerkt „gestorben 1570“. Diesen Fakt teilte der Vorsitzende des Gemeindekirchenrates, Reinhart Bollmann, dem Kulturhistoriker Matthias Prasse mit. Bollmann wusste nämlich, dass Prasse einen Vortrag über die Geschichte der Familie von Rauchhaupt und des Schlosses Dieskau vorbereitete. Zu diesem Vortrag waren dann etliche Angehörige der Familie von Rauchhaupt gekommen. So kam dann der Kontakt nach Reupzig zustande.
Bernd von Rauchhaupt, der in Leipzig wohnt, war bei seinem Besuch begeistert von dem, was er in der Reupziger Kirche fand. Er fotografierte viel, die nur teilweise erhaltene Inschrift des Epitaphs wurde entziffert und die Wappen zugeordnet. Den Familienunterlagen ist zu entnehmen, dass Hans von Rauchhaupt „auf Röpzig und Storkau“ am 28. Dezember 1567 an der Dessauer Ritterschaft teilgenommen habe. Weiter ist von der „Hochzeit mit N. von Schlanewitz“ im Jahr 1573 die Rede. Wurde in der Familienchronik noch gerätselt, ob es sich um das Storkau bei Warnsdorf handelte, konnte das während Bernd von Rauchhaupts Besuch sofort geklärt werden; denn Storkau ist der Nachbarort von Reupzig. Aber wenn sein Vorfahre 1570 gestorben ist, kann er 1573 nicht geheiratet haben. Erklären ließe sich das mit einem Zahlendreher, denn 1537 wäre stimmig.
Auf dem Epitaph ist oben links das Wappen derer von Rauchhaupt als steinernes Halbrelief mit drei Querbalken zu sehen und rechts oben lässt sich ein längsgeteiltes Wappen erfühlen, welches der Familie von Bose zugerechnet werden kann. Unten links erkennt man das Wappen derer von Kotze und rechts das der Familie von Pflugk. Seine Mutter Agnes war eine geborene von Bose und seine Großmütter hießen Margaretha von Pflugk und Margaretha von Kotze.
Entdeckung unter Orgel
Hans von Rauchhaupt war das zweitälteste Kind von fünf Geschwistern. Er heiratete eine N. von Schlanewitz. Sie blieben kinderlos. Die Ritterfamilie derer von Schlanewitz gehörte zu den alten Adelsgeschlechtern des Erzbistums Magdeburg und wurde 1284 erstmals erwähnt. Ihr Wappen trägt einen Keilerkopf. Sie besaßen Güter in Tarthun und Löderburg. Mit Hilmar von Schlanewitz starb die Familie bereits 1583 aus.
Das Wappen der Familie von Rauchhaupt trägt drei Querbalken. Oben ist ein bärtiger Mann mit aufsteigenden Hahnenfedern zu sehen. Es findet sich sowohl auf dem Epitaph des Hans von Rauchhaupt in der Kirche von Reupzig, als auch auf dem dortigen Grabstein seiner Ehefrau.
Sehenswert ist in der Kirche auch der um 1500 entstandene spätgotische Altar.
In der Reupziger Kirche findet man unter der Orgelempore einen alten Grabstein aus Sandstein mit einer Frau und dem Wappen derer von Schlanewitz. Die Chronik vermerkt die Jahreszahl „um 1550“. Als Bollmann und von Rauchhaupt dieses Wappen erblickten, war ihr Interesse geweckt.
Bei näherer Betrachtung stellten sie fest, dass links oben auf dem Grabstein eindeutig das Wappen derer von Rauchhaupt mit den drei Querbalken und dem bärtigen Mann mit aufsteigenden Hahnenfedern zu erkennen ist. So muss es sich also um die Ehefrau des Ritters Hans von Rauchhaupt handeln, die ihn nach nur 13 Ehejahren früh verließ. Beide waren fromme Leute. Die Frau auf dem Grabstein erhebt die Hände zum Gebet und Hans von Rauchhaupt hat auf dem Epitaph sein gütiges Gesicht auf ein Kruzifix gerichtet.
Viele berühmte Familienvertreter
Ob sie schon den lutherischen Glauben angenommen hatten? Die Fürsten von Köthen nahmen die Reformation bereits 1525, die Bernburger 1526 und die Dessauer 1530 an.
Matthias Prasse schreibt in dem 2016 herausgegebenen Heft „Schloss Dieskau und die Familie von Rauchhaupt“: „Nur wenige Adelsgeschlechter haben so kontinuierlich und über Jahrhunderte das ländliche Umfeld von Halle geprägt wie die Familie von Rauchhaupt. Die direkte Überlieferung zur Familie setzt 1308 mit Henricus dictus Ruchhoupt ein. Dabei wird der Familienname allgemein auf ,raues Haar’ zurückgeführt.
Bald darauf teilte sich die Familie in die Häuser Brachstedt und Trebnitz. Während die Brachstedter Linie 1678 erlosch, teilte sich die Trebnitzer Linie zum Ende des 16. Jahrhunderts nochmals in eine Höhnstedt-Übigauer und die Trebnitzer Linie. Aktuell gehören der Familie etwa 100 Namensträger an. Zweige der Familie erlangten Besitz auch im Anhaltischen und Kursächsischen.“
Bernd von Rauchhaupt berichtete von berühmten Vertretern seiner Familie wie den „Langen Kerls“, die aus der Dachrinne trinken konnten, oder dem Völkerrechtler Professor Friedrich Wilhelm von Rauchhaupt, der 1989 starb und 107 Jahre alt wurde. Auch Hans Christoph von Rauchhaupt (1619–1703), „der Brigadier“ auf Trebnitz an der Saale gehört zur Familie.
Beim Abschied schien Ritter Hans von Rauchhaupt auf dem Epitaph zu lächeln. Freute er sich etwa, an diesem Tag endlich auch seine Ehefrau vorgestellt zu haben? (mz/rb)