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Mehrere Tage Schwerstarbeit Riesenkran an der Elsnigker Kirche - Alte Glocken werden demontiert, zerkleinert und herausgeholt

Seit Jahren dürfen die Glocken in der Elsnigker Kirche nicht mehr geläutet werden. Weil Schäden am Bauwerk entstehen könnten. Nun wurden die alten Glocken demontiert, damit Platz ist für die neuen Glocken. Ein schwieriges Unterfangen.

Von Sylke Hermann 17.03.2024, 09:00
Maßarbeit: Der Kranausleger muss durch die Schallluke passen.
Maßarbeit: Der Kranausleger muss durch die Schallluke passen. Foto: Ute Nicklisch

Elsnigk/MZ. - „Es bleibt spannend“, begrüßt Olaf Stork, der Vorsitzende des Gemeindekirchenrates in Elsnigk, Schaulustige. Gemeinsam sehen sie gebannt in Richtung der geöffneten Schallluke auf der Westseite des Kirchturms.

An dessen Fuße steht Christian Beck und versucht, den Ausleger des Krans behutsam per Joystick zu dirigieren. Er sieht nichts. Deshalb muss sich der Chef der im thüringischen Kölleda ansässigen Glockenbaufirma auf seinen Mann dort oben verlassen können. Rigo Rudel zeichnet mit der rechten Hand Kreise in die Luft. Und er ruft so laut er kann: „Mehr Seil!“ Wenig später fordert er: „Noch mehr Seil!“

Kran kam aus Kölleda nach Elsnigk, um an der Kirche die Glocken herauszuholen

Christian Beck ist an diesem Mittwochmorgen etwas früher als üblich aufgestanden. Weil er erst den Kran abholen muss und dann rund 150 Kilometer nach Elsnigk auf die Baustelle fährt. Hier wird er schon erwartet. Ohne ihn, ohne den Kran geht es nicht weiter. Die Vorarbeiten sind erledigt. Darum haben sich seine Leute seit Montagmorgen gekümmert und im Kirchturm der Elsnigker Kirche Schwerstarbeit geleistet.

Hochbetrieb: In Elsnigks Kirche werden die Glocken demontiert.
Hochbetrieb: In Elsnigks Kirche werden die Glocken demontiert.
Foto: Nicklisch

Die Kirche bekommt nach langem Hin und Her, nach intensiver Sponsorensuche, nach Spendenaktionen, nach Ausflügen an die Glockenbörse, wo es gebrauchte und günstigere Glocken gibt, nun doch neue Glocken. Aber bevor das so weit ist – vermutlich wird man sich bis Juni gedulden müssen –, müssen die alten demontiert und in handliche, vielmehr händelbare Teile zerlegt werden, „weil sie in Gänze nicht durch die Schallluke passen“, weiß Olaf Stork.

Die beiden Glocken sind über Stahlträger direkt mit dem Turm verbunden. Einen richtigen Glockenstuhl, eine vernünftige Aufhängung gibt es nicht. Deshalb dürfen sie seit vielen Jahren nicht mehr geläutet werden. Die Gefahr, dass das Bauwerk durch die Schwingungen auf Dauer weiter Schaden nehmen würde, ist zu groß. So weit will man es auf keinen Fall kommen lassen. Deshalb sind Christian Beck und seine Männer jetzt in Elsnigk. Um die Ankunft der neuen Glocken, die allerdings erst noch gegossen werden müssen, vorzubereiten.

„Eigentlich ist das nicht unsere Aufgabe, Glocken zu zerstören. Viel lieber unterstützen wir dabei, neue Glocken zu montieren. Aber hier geht es nicht anders“, akzeptiert Christian Beck das Vorgehen. Nur mit erheblichem baulichen Aufwand wäre es möglich gewesen, die stark angerosteten Glocken aus dem Turm zu holen. Allerdings hätte man dazu die aus Backsteinen gemauerte Säule zwischen den Schallluken herausstemmen müssen. Das will die Kirchengemeinde nicht. Die Aktion, weiß Olaf Stork, sei auch so teuer genug.

Schwerstarbeit: Rigo Rudel entfernt die Reste eines Stahlträgers.
Schwerstarbeit: Rigo Rudel entfernt die Reste eines Stahlträgers.
Foto: Hermann

Die Glocken sind alt. Aber auch nicht so alt. Hundert Jahre vielleicht. Sie bestehen aus Eisenhartguss, einem Ersatzwerkstoff, der längst nicht so langlebig sei wie Stahl oder Bronze, sagt Christian Beck. Und auch günstiger. Ob sie sich deshalb leichter zerstören lassen, weiß er nicht. Es könnte sein. Denn am Ende ist dieser Schritt in relativ kurzer Zeit erledigt. Durch mechanischen Druck habe man den Glockenkörper zum Bersten gebracht, erläutert er.

Die eigentliche Demontage, mit der sich Rigo Rudel und Karsten Weidemann am Montag und Dienstag intensiv beschäftigen, dauert wesentlich länger. Vor allem die drei, zwischen der östlichen und westlichen Turmseite verlaufenden Stahlträger lassen sich äußerst schwer und nur unter großer Kraftanstrengung und mit reichlich Geduld aus dem Mauerwerk lösen. „Wir machen das ja nicht zum ersten Mal“, bleibt Rigo Rudel auffallend entspannt – und zuversichtlich.

Mit Kraft und Geduld werden die Glocken der Elsnigker Kirche herausgeholt und dann

Am Dienstagnachmittag ist es dann auch geschafft: Die beiden Glocken liegen noch in einem Stück am Boden, die zersägten Stahlträger stehen an der Wand. Den Rest muss nun am Mittwoch Christian Beck erledigen – und vor allem der Kran. Die größte Scherbe, schätzt der Glockenbauer aus Kölleda, dürfte 300, 400 Kilo wiegen. Sicher mit Seilen umschlungen sieht es tatsächlich federleicht aus, wie die Teile am Haken hängend aus der Schallluke nach unten, direkt auf die Ladefläche des Anhängers schweben.

Glocken in mehrere Teile zu zerlegen, gehört normalerweise nicht zu den Aufgaben von Christian Beck, dem Chef der Firma Glocken & Turmuhren in Kölleda. In Elsnigk macht er eine Ausnahme – aus gutem Grund.
Glocken in mehrere Teile zu zerlegen, gehört normalerweise nicht zu den Aufgaben von Christian Beck, dem Chef der Firma Glocken & Turmuhren in Kölleda. In Elsnigk macht er eine Ausnahme – aus gutem Grund.
Foto: Ute Nicklisch

Olaf Stork, der das Schauspiel beeindruckt verfolgt, ist froh, dass alles wie geplant über die Bühne gehen kann. „Jetzt haben wir da oben noch einiges zu tun“, kündigt er an. Und nun kann ganz Elsnigk es kaum erwarten, dass endlich die neuen Glocken zu hören sind.