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Richtfest mit extra langem Nagel

Von Raimund Leonhardt 14.09.2006, 15:59

Köthen/MZ. - Heider hat eine laute Stimme, mit der er den Richtspruch für alle verständlich aus dem Fenster spricht. Über ihm flattern die bunten Bänder der Richtkrone im Wind. Neben ihm müht sich Frau Palme mit zarten Händen und dem Zimmermannshammer, einen etwa zwanzig Zentimeter langen Nagel in das Fensterbrett zu treiben. Sie schafft es nicht ganz und Heider vollendet das Werk. "Ist das fies", kommentiert eine weitere Mitarbeiterin der WGK den langen Nagel. "So viele Schnäpse können wir gar nicht trinken, so lange dauerte das", frotzelt einer der Zimmerleute.

In der Burgstraße entsteht seit Mai dieses Jahres genau an der Stelle, wo früher das Rabbinerhaus stand, ein Vierfamilienhaus. Das alte Wohnhaus des Rabbiners, sehr historisch, unter Denkmalschutz stehend, aber ziemlich verfallen, durfte schließlich - mit Genehmigung der Denkmalbehörden - abgerissen werden. Hinter dem Rabbinerhaus stand einst die Synagoge der Köthener jüdischen Gemeinde.

Monika Heiduzcek, die Geschäftsführerin der Wohnungsgesellschaft, beziffert den Wertumfang des Neubaus auf 350 000 Euro. 35 000 Euro davon sind Fördermittel aus dem Bereich Sanierung, die die Stadt an das Wohnungsunternehmen weiterreicht. In das Gebäude, das im Februar nächsten Jahres bezugsfertig sein soll, will die WGK zwei kleinere Wohnungen im Erdgeschoss und zwei schöne Maisonette-Wohnungen darüber vermieten. Möglichst sollen hier mehrere Generationen unter einem Dach leben, berichtet Assistentin Palme. Die unteren Wohnungen böten sich nahezu für ältere Menschen als Wohnraum an.

Oberbürgermeister Kurt-Jürgen Zander (SPD) erzählt von einer Tafel, die am Haus angebracht, an die Synagoge erinnern wird. Dank der Intervention mehrerer Stadtoberhäupter, darunter auch Zander selbst, bei der Landesregierung, seien die Fördermittel nicht gekürzt worden.

Das Umfeld des neuen Hauses schreckt mehr ab als es Interessenten anlockt. Vor dem Rohbau lagert das Baumaterial auf einem grudigen Platz. Auf der Terrasse der benachbarten Passage sprießt ungehemmt das Unkraut. Zum Glück entschärfen die hängenden Geranien in den Fenstern des Nachbarhauses das eher triste Bild.

Frau Heiduzcek nutzt die Gelegenheit, um über weitere Vorhaben zu berichten. Das Grundstück Burgstraße 18 versuche man von einer Erbengemeinschaft zu erwerben. In der Burgstraße 19 ist ebenso die Fassadenfront zu schließen. Am Wasserturm verkauft die WGK neue Reihenhäuser. In der Magdeburger Straße wird ab nächstes Jahr saniert. Ziel ist eine bewohnerfreundliche Innenstadt. Dietmar Kurch - seine Männer decken jetzt das Dach - bedankt sich im Namen der örtlichen Baubetriebe, die am neuen "Rabbinerhaus" beteiligt sind, für den Auftrag. Frau Heiduzcek bekommt eine geschmückte Schieferplatte mit einer Kerze darauf. Das soll Glück gegen Feuer bringen.