Rettungseinsatz in Piethen Rettungseinsatz in Piethen: Mann auf dem Mast

Piethen/MZ - Um 19.55 Uhr atmete alles auf. Da hatte Joachim Y. (Name geändert) gerade wieder seinen Fuß auf festen Boden gesetzt. Der 38-Jährige machte einen nahezu entspannten Eindruck, unterhielt sich mit zwei Männern aus dem Höhenretter-Team der Dessauer Berufsfeuerwehr, dem es zu verdanken war, dass der Piethener seine gefährliche Lage in mehr als zehn Metern Höhe irgendwann aufgegeben und zu Boden geklettert war. Der letzte Akt der Geschichte vollzog sich - zur Erleichterung aller Einsatzkräfte - geradezu unspektakulär.
Großaufgebot an Einsatzkräften
Danach hatte es über zwei Stunden lang nicht ausgesehen. Wann es Joachim Y., getrieben von familiären Problemen und Alkoholmissbrauch, überkommen war, auf den ehemaligen gut 20 Meter hohen Funkmast in der Mitte des Dorfes zu klettern, bleibt unklar. Fakt ist nur, dass er irgendwann in luftiger Höhe entdeckt wurde - er schrie herum und machte Anstalten, sich herabzustürzen. Diesen Eindruck jedenfalls mussten die Zeugen gewinnen, die die Polizei informierten.
Es war, man kann es nicht anders sagen, ein Großaufgebot an Einsatzkräften, das sich daraufhin wie ein Ring um den Stahlmast legte: Feuerwehren aus Görzig, Glauzig, Gölzau, Gröbzig und Edderitz. Die Piethener Wehr rückte nicht aus, weil ihr Gerätehaus zu nahe an dem Mast stand und man den Mann, der sich offensichtlich in einer psychischen Ausnahmesituation befand, nicht noch zusätzlich aufregen wollte. Geholt wurde auch die Köthener Feuerwehr, vielmehr ihr Drehleiterfahrzeug. Im Korb der Drehleiter fuhren dann der Notarzt und ein Feuerwehrmann nach oben, um Joachim Y. dazu zu bewegen, wieder vom Turm herabzusteigen.
Ein Vorhaben, das misslang. Der Piethener ließ sich auf nichts ein, der Korb fuhr schnell wieder vom Turm weg, um keine gefährlichen Reaktionen auszulösen.
Eine Wende brachte dann der Einsatz der Höhenretter, die aus Dessau angefordert wurden. Jörg Sokolowski und Thomas Hofmann ließen sich mit dem Korb nach oben fahren und schafften es, den Mann in ein Gespräch zu verwicklen. „Wir haben uns über private Sachen ausgetauscht“, so Sokolowski, „darüber, was er beim Bund erlebt hat, er war wohl auf Auslandseinsatz, und über anderes. Dabei hat man immer im Hinterkopf: Wie kann ich ran?“ Immerhin am Ende soweit, dass man dem Mann sogar eine Zigarette anbieten konnte, die er auch annahm. Tatsächlich gelang es den Höhenrettern, die auch in Verhandlungstaktik ausgebildet worden waren, die Situation zu entspannen. Soweit, dass Joachim Y. am Boden die Höhenretter darum bat, sein Hemd zu suchen, dass er ausgezogen und vom Mast geworfen hatte.
"Es ist der Alkohol. Sonst ist das der beste Mensch."
Während die Polizei, die mit drei Funkstreifen aus Köthen und Radegast unter Leitung von Stefan Mingramm den Einsatz absicherte und als erstes nach dem Eintreffen die Neugierigen vom Platz verbannt hatte, mit vier Mann den Transport des Pietheners nach Dessau in die Psychiatrie begleitete (die Einweisung war durch den Diensthabenden der Landkreisverwaltung erfolgt), standen immer noch viele Piethener auf dem Platz und unterhielten sich über die Ereignisse. Darunter auch ein Mann mit bedrücktem Gesicht - der Vater des Mannes auf dem Mast konnte immer noch nicht begreifen, was sein Sohn getan hatte. „Es ist der Alkohol. Sonst ist das der beste Mensch.“ Sein Junge sei erst jüngst wieder zur Entgiftung gewesen, „das war aber viel zu kurz, um ernsthaft etwas zu erreichen.“
Der Alkohol habe Joachim Y. auch den Job gekostet; der gelernte Maurer war zuletzt in einem Piethener Unternehmen beschäftigt gewesen, „aber es ging nicht mehr mit ihm“, so der Firmeninhaber. Die Familie in Gestalt seines Bruders hatte übrigens selbst versucht, Joachim vom Turm zu holen. Doch hatte dieser versucht, auf seinen Bruder einzutreten, als der den Turm hinaufklettern wollte. „Er hat ihn einfach nicht erkannt“, so der Vater des 38-Jährigen tonlos.
