Orientierungstage ersetzen Praktikum
Köthen/MZ. - Schülerpraktika gibt esin den zehnten Klassen nicht mehr. Um denJugendlichen dennoch eine Möglichkeit zu bieten,sich ein Bild von den verschiedenen Berufenzu machen, hat die Barmer-BezirksgeschäftsstelleKöthen gemeinsam mit der Sekundarschule "Völkerfreundschaft"für deren Zehntklässler am Donnerstag undFreitag zwei "Tage der Berufsorientierung"geboten. Mehrere Köthener Unternehmen beteiligtensich daran und gaben den Schülern Einblickeins Berufsleben.
Eine komplette Mädchengruppe, begleitet vonMathe-Lehrerin Ina Bauer, besuchte im KreiskrankenhausKöthen die Physiotherapeutin Birgit Loyal."Physiotherapeut ist ein körperlich und psychischschwerer Beruf. Das will ich euch nicht vorenthalten",erzählte Frau Loyal. Sie schilderte, wie diedreijährige schulische Ausbildung, die inDessau stattfindet, abläuft, dass dafür vielDisziplin erforderlich ist und viel gelerntwerden muss - Anatomie, Krankheitslehre, Therapieformenund anderes mehr.
Und sie machte auch klar, dass Lehrjahre keineHerrenjahre sind. "Etwas, das während meinerAusbildung negativ war, war die geringe Vergütung",schilderte Birgit Loyal. Da es sich um eineschulische Ausbildung handelte, habe es keinerleiVergütung gegeben, es sei denn, der Schülerhabe Anspruch auf Bafög. Zudem sollten sichzukünftige Auszubildende darüber im Klarensein, dass Sonn- und Feiertage für einen Physiotherapeutennicht unbedingt frei sind, der Umgang mitschwer kranken oder behinderten Menschen vielGeduld und Kraft erfordere.
Über den bei Mädchen sehr beliebten Berufder Krankenschwester informierte Isabell Koßmann,Pflegedienstleiterin im Krankenhaus. "Es istein krisensicherer Beruf. Letztes Jahr habenwir zehn Auszubildende einstellen können",informierte Frau Koßmann. Die Auszubildendenpendeln zwischen der Krankenpflegeschule inAschersleben und dem Krankenhaus während ihrerAusbildung regelmäßig hin und her. Doch derBeruf verändere sich. Die "alles könnendeKrankenschwester", wie es sie im Fernsehengibt, existiere nicht mehr. Oftmals sind dieSchwestern auf wenige Aufgabenbereiche spezialisiert,wie zum Beispiel OP-Schwester, in der Anästhesie,Onkologie oder als Palliativschwester. Letzterekümmern sich um Patienten mit nicht heilbarenKrankheiten.
Neben dem Kreiskrankenhaus konnten die Schülerbei Orbita Film in Weißandt-Gölzau, beim Volvo-Truckservice,bei der Köthener Fleisch- und Wurstwaren GmbH,der Kreissparkasse, der Stadtbibliothek, demRatskeller, dem Hela-Baumarkt, der FahrschuleKlotz, dem Sanitätsdienst Schulz und der PhysiotherapieEllen Fröschke Berufswelt "schnuppern". DieBarmer selbst bot den Jugendlichen gesternein Bewerbungstraining. Jugendberater AndreasPluta vermittelte den Schülern sowohl dieAnforderungen an eine gelungene Bewerbung,als auch Tipps und Tricks für ein gutes Vorstellungsgespräch.
Zu der guten Zusammenarbeit zwischen Schule,Barmer und Ausbildungsbetrieben kam es eherdurch Zufall. "Frau Storck, eine Lehrerinder Sekundarschule Völkerfreundschaft, kamauf unseren Informationsstand während derBerufsfindungsmesse in Köthen zu", berichteteJutta Brecha, Bezirksgeschäftsführerin derBarmer Köthen. Dort sei man ins Gespräch undauf die Idee der Berufsorientierungstage gekommen.Frau Brecha nutzte gern ihre bestehenden Firmenkontakte,um den Schülern eine kompetente Vorstellungverschiedener Berufe auf theoretischer undpraktischer Ebene zu ermöglichen. Schließlichsei die Barmer auch selbst ein Ausbildungsbetrieb.
Für viele Schüler dürfte die VeranstaltungAnregungen für den späteren Beruf gegebenhaben. Andere wissen aber schon genau, wassie später werden wollen. Cindy Weiter beispielsweisewill PTA werden, also Pharmazeutisch-technischeAssistentin. "Wenn es geht, will ich hierin Köthen oder in der Nähe bleiben", sagteCindy. Sollte die Stelle zur PTA nichts werden,steht Reiseverkehrskauffrau an der nächstenStelle. "Hauptsache ein Beruf, in dem manUmgang mit Menschen hat", meinte Cindy. Vorallem das Bewerbungstraining habe sie mitgroßem Interesse verfolgt. Annemarie Kammlerhingegen bedauerte, dass es das einwöchigeSchülerpraktikum nicht mehr gibt. "Das fandich besser. Nur zwei Berufsfindungstage, dasist doch etwas kurz", meinte die Schülerin.