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Online-Handel Online-Handel: Superscharfes aus Wehlau

Von Helmut Dawal 14.02.2016, 12:34
Matthias Wimmer in seinem Messerlager in Wehlau. Von hier werden die Messer über einen Onlineshop verkauft und versendet.
Matthias Wimmer in seinem Messerlager in Wehlau. Von hier werden die Messer über einen Onlineshop verkauft und versendet. Heiko Rebsc Lizenz

Wehlau - Zweimal an jedem Werktag halten vor dem Haus von Matthias Wimmer in Wehlau Fahrer von Paketdiensten. Sie bringen Post, in der Mehrzahl aber holen sie Pakete ab, die von dem kleinen Fuhnedorf aus in die ganze Welt verschickt werden.

In Wehlau hat der „Messerspezialist“ seinen Sitz. Diesen Namen hat Wimmer seinem Online-Shop gegeben. Im Jahr 2005 begann er damit und arbeitete im ersten Geschäftsjahr 921 Bestellungen ab. Mittlerweile sind es pro Jahr etwa 15000 Bestellungen, die in dem kleinen Unternehmen abgewickelt werden. Neben Geschäftsführer Wimmer gehören seine Ehefrau Constanze, die Schwester Susann und Mitarbeiterin Barbara Fritzsche zur Firma.

Matthias Wimmer stammt aus Löberitz. Er ist gelernter Sozialversicherungsfachangestellter und hat Medien und Informatik studiert. Um sein Studium zu finanzieren, gründet er 1999 in Leipzig mit Freunden das Service-Portal „beamte4u“. Über das Internet können sich ratsuchende Menschen Fragen beantworten lassen, beispielsweise zu Arbeitslosigkeit, Bafög, Sozialhilfe oder Rente. Die jungen Firmengründer holen sich dafür Beamte aus dem Arbeits- oder Finanzamt mit ins Boot, die entsprechende Fachkenntnisse haben und auf die Fragen antworten. Das Geschäft läuft gut an, muss aber eingestellt werden. „Ein Rechtsanwalt schickte eine Abmahnung, derartige Rechtsberatungen dürften wir nicht machen“, erinnert sich Matthias Wimmer.

Japanische Messer

Ein Nachbar, der mit japanischen Messern handelt, gibt den Anstoß, etwas, wie er sagt, „Vernünftiges“ auszuprobieren. „Wir hatten die Expertise fürs Internet, er begeisterte uns mit den japanischen Messern“, blickt Wimmer zurück. Beides sollte miteinander verbunden werden. „Wir waren extrem an Japan interessiert und wussten, dass dort Messer in aufwendiger Handarbeit hergestellt werden. Hinzu kam, dass wir gerne kochen und dass dafür man in der Küche hochwertiges Handwerkszeug nutzen sollte, vor allem natürlich scharfe Messer“, erzählt der heute 41-Jährige. So nimmt die Idee eines Online-Spezialhandels allmählich Konturen an. In Wehlau findet Wimmer einen alten Bauernhof, der als Wohn- und Geschäftshaus umgebaut wird. Es werden erste Kontakte mit Herstellern geknüpft, die Internetseite entsteht. Und die Kreissparkasse, bei der der „Messerspezialist“ noch immer sein Geschäftskonto hat, hilft bei der Finanzierung des neuen Unternehmens.

„Am allerersten Tag haben wir ein einziges Messer verkauft. Dann ist drei Tage lang gar nichts passiert“, hat Matthias Wimmer den Anfang noch gut im Gedächtnis. Doch Monat für Monat geht das Geschäft besser. Heute können die Kunden aus rund 1500 verschiedenen Messern wählen. Darunter sind große deutsche Marken wie Wüsthof oder Zwilling, aber auch handgeschmiedete japanische Messer. Außerdem wird diverses Zubehör rund ums Messer angeboten.

Mit dem, was man für ein paar Euro im Supermarkt kaufen kann, hat das Sortiment der Wehlauer Firma aber nichts zu tun. „Wir haben uns von Anfang an auf Profiwerkzeug konzentriert“, betont Matthias Wimmer. Die hohe Qualität hat ihren Preis. „Das beginnt ab 40 Euro. Wir verkaufen aber auch Messer, wo ein Exemplar um die 3000 Euro kostet.“ Die meisten Bestellungen gehen nach Deutschland, Österreich und in die Schweiz. Aber auch nach Australien, Neuseeland und auf die Seychellen wurden schon Messer verschickt. Eine Bestellung ist Wimmer besonders im Gedächtnis geblieben, die eines Kunden aus den arabischen Emiraten. „Er hat gleich zehn Messer geordert, natürlich die teuersten.“

Nach Japan ist Wimmer bereits zweimal gereist und hat dort Messerhersteller besucht. „Das sind kleine Betriebe, manche nur mit zwei Mitarbeitern.“ Er sei von der Handwerkskunst begeistert, mit der absolute Spitzenmesser entstehen. Die Japaner seien sehr freundliche Menschen. „Die Lebenskultur dort ist aber völlig anders als bei uns. Es kann schnell passieren, dass man in ein Fettnäpfchen tritt.“ So begrüße man sich nicht mit Handschlag, sondern mit einer Verbeugung. „Und als ich mir beim Essen mit einem Taschentuch die Nase putzen wollte, hat mir mein Begleiter klar gemacht, dass das in Japan nicht gemacht wird. Die Japaner fänden das eklig.“

Im Gegenzug hat Matthias Wimmer auch schon japanische Messermacher in Wehlau begrüßen können und ihnen die Region Anhalt gezeigt. „Besonders angetan waren sie von unserem Bier.“

Kleine Hersteller profitieren

Vom Internet-Handel profitieren insbesondere kleinere Hersteller, ist Wimmer überzeugt. „Wir verschaffen ihnen über das Internet wieder einen Markt. Sie erleben eine Renaissance und haben volle Auftragsbücher.“ Dass seine Firma gut läuft, führt er auch auf ein gestiegenes Qualitätsbewusstsein, insbesondere bei jüngeren Menschen zurück. „Sie geben mehr Geld für hochwertige und langlebige Produkte aus.“ Beim „Messerspezialisten“ muss man nicht unbedingt über das Internet bestellen. Wer will, kann auch in Wehlau vorbeikommen. Und viele Kunden holen sich auch am Telefon Rat. „Ich suche ein Messer für meine Frau“ - diese Frage würden Männer häufig stellen, berichtet Matthias Wimmer. Den Anrufern gehe es darum, ihren Frauen mit einem guten und scharfen Messer die Arbeit in der Küche zu erleichtern.

Ein Messer verschenken, das soll man nicht tun. Es würde die Freundschaft zerschneiden, heißt es. „Die Japaner legen dann eine Münze dazu. Die gibt man zurück und dann ist das Messer nicht geschenkt, sondern quasi gekauft“, erklärt Matthias Wimmer, wie man im Land der aufgehenden Sonne diesen Gewissenskonflikt löst. (mz)

Weitere Informationen im Internet unter www.messerspezialist.de

Über den Onlineshop werden die Messer von dem kleinen Ort Wehlau aus versandt.
Über den Onlineshop werden die Messer von dem kleinen Ort Wehlau aus versandt.
Heiko Rebsch Lizenz