1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Köthen
  6. >
  7. Offene Wunde "Ritterburg": Offene Wunde "Ritterburg": Ausschuss uneins über Invest in die Obdachlosenunterkunft in Köthen

Offene Wunde "Ritterburg" Offene Wunde "Ritterburg": Ausschuss uneins über Invest in die Obdachlosenunterkunft in Köthen

Von Matthias Bartl 20.02.2018, 14:11
Eingang zum Asyl
Eingang zum Asyl Rebsch

Köthen - Hinsichtlich des Baugeschehens herrscht derzeit Ruhe in der Augustenstraße 61. Hinsichtlich des Projektes zum Umbau der Köthener Obdachlosenunterkunft allerdings nicht, wie man gerade auf der jüngsten Sitzung des Sozial- und Kulturausschusses des Stadtrates erleben konnte.

Dort hatte Bauamtsleiterin Katrin Töpfer in einer Informationsvorlage den aktuellen Stand der Arbeit Revue passieren lassen - prinzipiell, das wurde deutlich, war bislang alles im zeitlichen Rahmen erfolgt: Im Dezember des Vorjahres war damit begonnen worden, die Dielung in dem Bereich rauszureißen, in dem später einmal drei Duschen installiert werden sollen.

Inzwischen sei man mit zwei Gewerken - Rohbau und Sanitär/Heizung - soweit, dass die Vergabe am 22. Februar im Bau-, Sanierungs- und Umweltausschuss erfolgen kann. Und für weitere Gewerke ist der Fahrplan so abgesteckt, dass in der 11. und 12. Kalenderwoche die Angebote abgegeben werden. „Im April geht es planmäßig mit den Bauarbeiten weiter und im Dezember sind wir auch planmäßig fertig“, so Katrin Töpfer. Nicht nur mit den drei Duschen im Erdgeschoss freilich, sondern auch mit dem Ausbau des Dachgeschosses, wo vier weitere Räume zur Unterbringung von Obdachlosen entstehen sollen.

Sozial- und Kulturausschusses betrachtet Problem mit Obdachlosenunterkunft völlig unterschiedlich

Damit freilich teilte Katrin Töpfer keine Neuigkeiten mit, denn der Endtermin steht seit langem fest. Dennoch gab es dazu Nachfragen aus dem Ausschuss, weil dies zumindest einigen sehr lang vorkam: Dies sei schon deswegen nicht in kürzerer Zeit möglich, so Töpfer, weil alle Leistungen ordentlich ausgeschrieben werden müssen und die Vergaben durch den Ausschuss erfolgen müssen - die gesetzlich korrekten Abläufe kosten nun einmal auch Zeit.

Dies freilich war aber nur der Auftakt zu einer Debatte über das Vorhaben, die deutlich machte, dass man selbst im Ausschuss das Problem ganz unterschiedlich betrachtete. Zum Beispiel klassifizierte Ausschussvorsitzende Christina Buchheim (Linke) die Installation von Kohleöfen als nicht mehr dem Standard entsprechend und ihr Vater Rüdiger, der ebenfalls für die Linken im Stadtrat sitzt, machte gleich mehrere Probleme mit dem Dachausbau deutlich: mit dem Brandschutz, mit der Wärmedämmung, mit der Frage, dass die dort Wohnenden, „die teils bei schlechter Gesundheit sind“, Holz und Kohlen selbst in die dritte Etage schleppen müssten. Rüdiger Buchheim empfahl „auf den Ausbau zunächst zu verzichten“.

Die Stadt muss künftig auch für die Pflege des Duschbereichs aufkommen

Andere hinwieder hatten ganz anders gelagerte Probleme, die letztlich auf die Klientel hinausliefen, die in der Augustenstraße wohnt und die dafür gesorgt haben, dass das Gebäude den Namen „Ritterburg“ erhalten hat. Das betraf nicht zuletzt die Edelstahlausstattung im Duschbereich, die wohl bald beim Schrotthandel landen werde.

Und es betraf den Umstand, dass die Frage danach, wer die Duschbereiche reinigen werde, durch Sozialdezernent Alexander Frolow ohne Umschweife beantwortet wurde: „Alle Pflege erfolgt durch die Stadt. Im Zweifel täglich.“ Was letztlich bedeutet, dass die Stadt dafür bezahlt.

Man könne, so Frolow hinsichtlich Ausstattung, Heizung und Zimmergröße, sich alles schöner und besser vorstellen. Aber eine Gaszentralheizung müsse man sehr sicher verbauen - und offensichtlich konnte sich auch Frolow nicht vorstellen, dass zum Beispiel Kupferrohre dort lange erhalten blieben.

Der Ruf von Familie Ritter wirkt abschreckend auf richtige Obdachlose

Dennoch steckt die Stadt in einer Zwickmühle, wenn es um das Objekt geht, in das sie gerade rund 163.000 Euro investiert. Denn zum einen baut man vier neue Räume, zum anderen aber hat das ganze Haus derzeit nur neun Bewohner; der größte Teil davon Mitglieder der Familie Ritter. Deren via „RTL-Sozialstudie“ quer durch Deutschland verbreiteter Ruf wirkt wie man hört abschreckend auf richtige Obdachlose, die der Wind des Schicksals nach Köthen weht.

Die Bezeichnung „richtige“ Obdachlose hat ihren Grund, wie auch im Ausschuss nicht unerwähnt blieb: Ritters seien gar keine Obdachlosen, sagte Steffen Reisbach (Freie Wähler): „Obdachlosigkeit ist eine Übergangslösung“, die Unterbringung der Ritters sei aber längst eine Dauerlösung. Für Reisbach war die künftige Richtung klar: „Da muss endlich ein Betreiber rein, der den Deckel draufmacht.“ (mz)

In einer Wohnung im Erdgeschoss soll der Duschraum entstehen. Der Fußboden ist schon prophylaktisch herausgerissen worden.
In einer Wohnung im Erdgeschoss soll der Duschraum entstehen. Der Fußboden ist schon prophylaktisch herausgerissen worden.
Archiv/Salpius