Neue Satzung Neue Satzung: Muss Altpapier künftig in die blaue Tonne?

Köthen - Macht sich ein Bürger im Landkreis Anhalt-Bitterfeld strafbar, wenn er sein Altpapier nicht in der blauen Tonne der Anhalt-Bitterfelder Kreiswerke entsorgt, sondern zum Gewerbetreibenden um die Ecke bringt? Oder wenn er seine alten Zeitungen einer Schulklasse spendet, die mit dem Erlös ihre Klassenfahrt finanzieren möchte?
Die Frage klingt sehr zugespitzt, sie ergibt sich aber unweigerlich, wenn man sich den Paragrafen 12 der neuen „Satzung über die Abfallwirtschaft im Landkreis Anhalt-Bitterfeld“ anschaut, der jetzt gerade in den Fachausschüssen des Kreistages diskutiert wird.
Urteil zugunsten der Sammler
Anfang der Woche beschäftigte sich der Ausschuss für Bau, Wirtschaft und Verkehr als erster mit diesem Thema (die MZ berichtete). Dort wurde das oben beschriebene Problem von Uwe Schönemann (FDP) angesprochen: „Dürfen wir die Bürger per Satzung zur Abgabe ihres Altpapiers an den kommunalen Entsorger verpflichten? Wie ist das durch die Bundesgesetzgebung gedeckt?“, fragte Schönemann und berief sich auf aktuelle Rechtsprechungen zu diesem Thema, die etwas anderes aussagen. So ist zum Beispiel der Rhein-Kreis Neuss damit gescheitert, die gewerbliche Sammlung im Kreisgebiet zu unterbinden. Das Oberverwaltungsgericht Münster entschied dazu am 15. August 2013 zugunsten der privaten Sammler.
Zum Hintergrund seiner Anfrage teilte Uwe Schönemann der MZ mit, es sei für ihn einfach nicht akzeptabel, dass hier in Persönlichkeitsrechte der Bürger eingegriffen werden soll. „Ich habe zum Beispiel die MZ abonniert und zahle dafür“, sagt der FDP-Abgeordnete. Er halte es für eine Bevormundung, wenn ihm vorgeschrieben werde, wie er mit seinem Eigentum zu verfahren habe. Dass also die Anhalt-Bitterfelder Kreiswerke, eine hundertprozentige Tochter des Landkreises, per Order festlegen, was er zu tun habe. Das sei aber nur ein Aspekt seiner Anfrage im Fachausschuss. Schönemann befürchtet auch, dass mit dieser Verfahrensweise Gewerbetreibende, die Papier und Pappe aufkaufen, ihrer Existenzgrundlage beraubt werden.
Uwe Schönemann will das Problem auch in der Fraktionssitzung der CDU/FDP am 15. September thematisieren, wo über die Abfallsatzung diskutiert werden soll, und sich dort für eine Änderung einsetzen. Denn im Entwurf der neuen Satzung soll auch der folgende Passus gestrichen werden: „Sammlungen zu gemeinnützigen Zwecken sind nach vorheriger schriftlicher Mitteilung an den Landkreis Anhalt-Bitterfeld unter Angabe des Verwerters durch Dritte im Rahmen der gesetzlichen Regelungen möglich.“ Das geht Schönemann entschieden zu weit, weil damit jegliche Altpapiersammlung für einen guten Zweck unterbunden wird. Im Ausschuss stieß er mit seiner Fragestellung vor allem beim Geschäftsführer der Anhalt-Bitterfelder Kreiswerke, Hartmut Eckel-mann, auf erhebliche Gegenwehr. Der warf Schönemann „sozialistisches“ Sprachvokabular vor, weil dieser davon gesprochen hatte, dass private Sammler über eine Gewerbegenehmigung verfügen, was im bundesdeutschen Sprachgebrauch heute Gewerbeerlaubnis heißt. Außerdem sprach der Geschäftsführer von der „Beraubung unserer Behälter“. Auf Diebstahl aus den blauen Tonnen hatte sich Schönemann aber gar nicht bezogen. Ihm ging es vielmehr darum, dass Bürger die freie Wahl haben sollten, ob sie ihr Papier in die blaue Tonne werfen oder privaten Sammlern übergeben. Ein weiteres Argument von Eckelmann ist, dass die ABI KW mit dem Verkauf des Papiers Einnahmen erzielt, die sich kostensenkend auf die Abfallentgelte der Bürger auswirken würden. In welcher Größenordnung, wurde nicht gesagt.
Gerade dieser Aspekt wurde aber bei der Urteilsfindung durch die Münsteraner Richter berücksichtigt. Sie kamen zu dem Schluss, dass überwiegend öffentliche Interessen einer gewerblichen Altpapiersammlung nicht entgegen stehen.
Der zuständige Umweltamtsleiter Andreas Rößler erklärte in der Ausschusssitzung, dass Privatsammlungen „im Grunde genommen illegale Sammlungen“ seien und man eigentlich „dagegen vorgehen“ müsste. Allerdings habe man „derzeit andere Prioritäten“. Auf die Frage, auf welcher Grundlage solche Gewerbeanmeldungen gestattet werden, erklärte Rößler, dass die Gewerbeämter nicht prüfen, ob etwas widerrechtlich sei. Die MZ fragte bei der Stadt Köthen nach und erfuhr von Sprecherin Caroline Hebestreit: „Es gibt zurzeit in Köthen zwei Annahmestellen für Papier und Pappe. Einer gesonderten Genehmigung dafür bedarf es nicht, eine solche Annahmestelle ist nur anzeigepflichtig.“
Hofft auf Bestandsschutz
„Ich kaufe schon 14 Jahre Pappe und Papier auf“, sagt der Inhaber der Firma Lehmanns Buntmetall-aufkauf und Containerdienst der MZ. „Ich habe dafür alle notwendigen Genehmigungen und gehe davon aus, dass das Bestandsschutz genießt.“ Bedauern würde Ingmar Lehmann, wenn es Vereinen wie z.B. der Feuerwehr künftig nicht mehr möglich sein sollte, sich durch Altpapiersammlungen ein paar Euro dazu zu verdienen. (mz)