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Nach dem Hochwasser Nach dem Hochwasser: Immer unterwegs

Von sylke hermann 10.09.2013, 19:12
Doreen Vogel (2. v. l.) und ihre Schwester Reina Grabowski können nach dem Hochwasser jede Hilfe gebrauchen. Hartmut Kroll (l.) und Siegfried Wachtel vom Rotary Club Dessau helfen dem Pflegedienst.
Doreen Vogel (2. v. l.) und ihre Schwester Reina Grabowski können nach dem Hochwasser jede Hilfe gebrauchen. Hartmut Kroll (l.) und Siegfried Wachtel vom Rotary Club Dessau helfen dem Pflegedienst. heiko rebsch Lizenz

aken/MZ - Doreen Vogel sieht ungläubig auf die kahle Betonwand und muss kurz überlegen, wie das vorher hier ausgesehen hat. Vor dem Hochwasser. „Hier hinten war auf jeden Fall mal eine Wand.“ Die Wand ist nicht mehr da. „Ach ja, und hier vorne hatten wir eine hübsche Flurgarderobe.“

In der Ecke im großen Besprechungsraum stand ihr Schreibtisch. Daneben ein paar Hochschränke. Drei, glaubt sie, waren es. Sie hatte die wichtigsten Ordner immer griffbereit. Wo die Akten jetzt liegen, hat sie nicht parat. „In irgendeiner Kiste garantiert.“

Doreen Vogel, die sich vor vier Jahren mit einem mobilen Pflegedienst in Aken selbstständig gemacht hatte, steht vor dem Neuanfang. Notgedrungen. Das Hochwasser machte vieles von dem zunichte, was sie sich in der Zwischenzeit aufgebaut hatte.

Alles unter Wasser

Die Geschäftsräume in der Köthener Chaussee 1 standen über einen Meter im Wasser. Möbel, Auslegware, Heizung - alles musste raus. Selbst der Putz von den Wänden. Die 42-Jährige hatte noch versucht, ihre Elementarversicherung anzupassen, als die vorher gesagten Pegelstände für Aken immer besorgniserregender geworden sind. Als das Wasser irgendwann weg war, erfuhr sie, dass sie mit ihrem Versuch gescheitert war. Das funktioniere so nicht, sagte man ihr. Und sie hat keine Wahl, muss es akzeptieren. Nun hofft sie, dass zumindest jene Schäden reguliert werden, die ihrer Firma durch das schwere Unwetter am 20. Juni - kurz nach dem Hochwasser - entstanden sind. „Wir haben drei Hängeschränke retten können“, schildert sie.

Die Spende des Rotary Clubs Dessau kam da gerade richtig. 3 000 Euro haben die Mitglieder gesammelt. Der Verein, so gibt es die Pflegedienst-Inhaberin wieder, hatte sich bei der Stadtverwaltung erkundigt, wer das Geld gebrauchen könnte und eine Liste von vielen Bedürftigen erhalten. Doreen Vogel ist froh und dankbar, dass sich die Dessauer Mitglieder der weltweit tätigen Vereinigung für ihren Pflegedienst entschieden und gespendet haben.

Geliebte Normalität

Im Moment pendelt die Chefin noch zwischen Köthener Chaussee und Bismarckplatz, ihrem Übergangsdomizil. Eine Frage der Organisation. Trotzdem sei das anstrengend - und zeitraubend. Normalität wäre ihr lieber. Doch davon ist ihr Unternehmen noch weit entfernt. Zu präsent sind die Tage des Hochwassers, wo es vor allem darum ging, ihre Patienten aus der Stadt zu bringen und weiter zu versorgen. Was anfangs noch relativ organisiert vonstatten ging, endete irgendwann zwangsläufig im Chaos. Nicht alle Patienten wollten sich von Doreen Vogel und ihrem Team helfen lassen, einige wollten in ihren Häusern, Wohnungen bleiben. Das könne sie natürlich nachvollziehen. Und irgendwann war sie denn auch mit ihrem Latein am Ende, brachte eine Liste mit ihren, in der Stadt verbliebenen Patienten zum Krisenstab im Rathaus und packte selbst ein paar Sachen zusammen. Mehr konnte sie nicht tun, weiß sie heute.

Auf Patientensuche

Einige Patienten waren in Osternienburg untergebracht, viele in Sporthallen und Notunterkünften bis nach Köthen verstreut. Versorgt wurden sie trotzdem, „wenn wir wussten, wo unsere Patienten waren“, fügt Pflegedienstleiterin Sandra Engelmann hinzu. Bis zur Ökodomäne Bobbe ist sie gefahren. Und wenn sie gehört hatte, dass irgendwo ältere Leute hingebracht wurden, fragte sie nach, ob vielleicht ihre Patienten dabei waren. Eine aufreibende Zeit für das Pflegedienst-Team. „Wir konnten ja auch nichts tun - außer warten. Also“, sagt Engelmann, „haben wir versucht, weiter zu arbeiten.“

Im Nachhinein freut sie sich, dass vieles so gut funktioniert habe - trotz der chaotischen Zustände. Sie nennt zum Beispiel die unkomplizierte Zusammenarbeit mit den Akener Ärzten.

Wie es jetzt weitergehen soll, weiß sie nicht. „Ich habe noch keinen Plan“, gesteht die Geschäftsfrau. Aber sie will sich auf jeden Fall bei den Helfern und Spendern bedanken und hofft, auf ihrer Liste ja niemanden zu vergessen. „Es waren so viele“, freut sie sich und hat dabei Tränen in den Augen. Ein Grillfest im Sommer - „das wäre doch schön“, entwickelt sie erste Idee für ihre Dankeschön-Party.