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Mit Rechenschieber und Ranzen

Von Steffen Dörre 30.04.2008, 16:51

Elsnigk/MZ. - Mitunter erreichte auch das neuerliche Wiedersehen Schulhoflautstärke, so ausgelassen und erfreut wurde begrüßt, erzählt - und wiedererkannt.

Auf zwei Tischen aufgereiht: Erinnerungsstücke von früher. Angefangen vom Glas Erbsen und einer Klopapierrolle über Schulbücher, Rechenschieber und ein Jugendweihebuch bis hin zur Pionierfahne, zum Optikbaukasten und zum Erich-Foto - alles war dabei. Auch eine alte Wandtafel durfte nicht fehlen. Und so kamen viele neugierige Ehemalige in ihre alte Schule. Von 17 bis 19 Uhr konnten sie in die Klassenräume schauen und sich an alte Zeiten erinnern.

Das um 1900 als Gaststätte mit Saal errichtete Gebäude war Anfang der 50er Jahre zur Zentralschule umgebaut und 1963 zur Polytechnischen Oberschule (POS) erweitert worden. Dazu hatte man damals ein weiteres Stockwerk für die Schüler aus Elsnigk und den umliegenden Orten wie Reppichau, Scheuder, Kleinzerbst und Würflau geöffnet. 1991 wurde aus der POS eine Grundschule, in die 1999 die letzten fünf Schüler eingeschult wurden, ehe die Einrichtung im Jahre 2000 geschlossen wurde.

Heute kommt gelegentlich der Blutspendedienst, die AWO trifft sich, und der Heimatverein füllte bereits drei der alten Klassenzimmer mit einer historischen Sammlung: "Wir brauchen bald einen vierten", freut sich Erhard Riedel, der selbst von 1955 bis '63 hier zur Schule ging.

Teil der Sammlung ist auch eine alte "Schwarzenberg"-Waschmaschine, in der man nicht nur Wäsche waschen, sondern auch einkochen oder Würstchen warm machen konnte. "So wie in Dessau auf dem Bahnhof, die haben dort immer prima geschmeckt", erzählt Heiderose Müller, die 1954 die Schule verließ und die maßgeblich die Sammlung aufbaute.

Ein weiterer Höhepunkt der Sammlung ist ein gefülltes Küchenbüfett, welches Rückschlüsse darauf zulässt, was man früher für manch Luxusgut bezahlen durfte. So ist ein 125-Gramm-Päckchen Mocca-Kaffee zu finden, für das über acht Mark zu berappen war. Eine alte Ausrüstung zum Fotos entwickeln, ein Küchenherd, alte Bügeleisen, ein STERN-Radio, eine waschechte Dreschmaschine, alte Fotos und Zeitungsausschnitte und vieles andere mehr können für Augenblicke zurück versetzen, zurück in Zeiten, in denen die, die heute jenseits der 40, 50 oder 60 sind, sich noch mit Brottasche und Ranzen alltäglich auf den Weg machten.

Auch Vertreterinnen des Lehrerkollektivs waren mit von der Partie. Gisela Laure zum Beispiel, die von 1961 bis 2000 Deutsch, Heimatkunde und Sport unterrichtete. "Ich war mit Leib und Seele Lehrerin - und bin stolz, wenn ich heute sehe, was aus den Kleinen alles geworden ist", sagt sie. Besonders gerne erinnert sich Laure an regen Kontakt zu vielen Eltern und an die gute Zusammenarbeit mit ihnen. "Zur Faschingszeit haben wir mal über 200 Pfannkuchen bei einer Mutti gebacken", erzählt sie. Noch heute merke sie, dass auch die Kinder engagiert seien, wenn ihnen die Eltern das vorgelebt hätten.

Zum Beispiel Heidrun Laaß und Olaf Stork, die sich im Heimatverein engagieren oder eben Schultreffen organisieren. Wie das am Samstag. Doch mischt sich bei solchen Treffen die Wiedersehensfreude oft mit Wehmut. Vieles aus vertrauten Tagen hat nur noch im Museum Platz, Schule und menschliches Miteinander haben sich verändert.

"Wir hatten kein Telefon, aber der Kontakt hat gestimmt. Wenn jemand neu war, erfuhr man spätestens am Freitag im Konsum, wer das ist. Heute fehlt das Familiäre. Die Kinder kommen aus dem halben Landkreis in eine Schule. Es bleibt keine Kraft, nach dem Unterricht gemeinsam was zu unternehmen", hieß es.

Und so bleibt nach dem Treffen eine Erkenntnis: das Hier und Jetzt ist doppelt so schön, solange das, was gestern war, nicht aus den Köpfen verschwindet, sondern als Erinnerung lebendig bleibt. Am besten noch gekrönt vom persönlichen Kontakt der Ehemaligen.