Mit dem Arbeiteresel in die Freiheit
Wulfen/MZ. - Der kleine Simson-Roller wurde vom VEB Fahrzeug- und Jagdwaffenwerk "Ernst Thälmann" Suhl von 1957 bis ´59 gebaut. Er löste das SR 1 ab (1955 bis '57) und wurde selbst vom SR 2E (1960 bis '64) ersetzt.
Wenn Georg Schaub vor seinem Haus am Weinberg gegenüber der Tankstelle sein Moped vor den Hänger spannt und in die Pedale tritt, dann meldet sich der Zweitaktmotor mit freudigem Knattern. Es geht hinaus zur Karnickelfutterernte. Für Schaub ist sein SR 2, das er vor Jahren aus der hintersten Ecke der Garage holte und liebevoll wieder aufbaute, nicht nur Spaßobjekt, sondern auch alltäglicher Gebrauchsgegenstand.
So wie er, sehen das alle aus dem Wulfener Klub: Falko Heber, Bernhard Boas, Roland Rauchfuß, Christian Hoppe, Andy Schaub, Michael Koch, Steve Liebegott, Wolfgang Müller und Eckehard Behrend kommen aus dem Wulfener Umland und zeichnen sich durch ihre Liebe und Treue zum SR 2 aus. Meist verfügen sie über mehrere der "Knatterbüchsen", die ihre Benzingemischwolken durch die Straßen schweben lassen. "Wir machen die Dörfer blau", freut sich Schaub. Und alle schmunzeln bis über beide Ohren.
Die Leute am Wegesrand fluchen nicht etwa über Gestank und Lärm der Zweirad-Oldtimer, sondern applaudieren ihnen vom Streckenrand aus zu. "Das müssen die Erinnerungen an die alten Zeiten sein", denkt sich Bernhard Boas. Die Männer haben ihre SR 2 entweder naturbelassen, also im weinrotbraunen Farblook mit Schwingsattel und Handschalter. Oder sie haben den kleinen "Arbeiteresel" gelb oder orange umgespritzt und mit hohem Lenker, Zweiklangfanfare und Chromauspuff aufgemotzt.
"Auto fahren müssen wir jeden Tag zur Arbeit", berichtet Schaub über die "verrückte Liebe" zum SR 2. Simsonfahren ist Spaß, Vergnügen und Entspannung. "Ich freue mich jedesmal, wenn die Leute an der Straße sich über uns freuen", gibt Wolfgang Müller das kollektive Grunderlebnis weiter. "Die sollen genau so lachen wie wir", möchte er das vom SR 2 ausgehende positive Lebensgefühl am liebsten auf Gott und die Welt übertragen.
Um die von Simson-Suhl geschaffenen Kleinkraftrad-Legenden ranken sich die unterschiedlichsten Geschichten und Begebenheiten. Fast alle im Klub haben auf dem SR 2 in der Baggerkiete das Fahren gelernt. Eines der Mopeds stammt so wie es ist von der Schwiegermutti, die es seinerzeit im Kaufhaus in Wulfen erworben hat. Auch bei den Ersatzteilen kennen sich die SR 2 Freaks aus, wissen wo es die besten Bowdenzüge gibt und welcher kleine Zweiradhändler die günstigsten Reifen zu bieten hat.
Die Polizei, so die Simsonfreunde, reagiere überwiegend freundlich auf sie und ihre Gefährte. Trotzdem müsse schon alles verkehrstechnisch sicher sein. "Darauf legen wir auch großen Wert", versichert Schaub im Namen aller Mopedpiloten des Klubs. Den Spaß mit dem SR 2 haben die Männer im Laufe der Zeit mehr und mehr gesteigert. Seit fast 800 Ausflugskilometern fährt Maskottchen "Fred" im Anhänger mit, es gibt eine natürlich selbst gebaute SR 2 Gulaschkanone und jede Menge Details an den Mopeds, die von der Liebe zum Alt-Zweirad zeugen.
Himmelfahrt, zu Pfingsten oder eben zum SR 2 Treffen in Kürbitz werden die Motorrad-Winzlinge mit dem fünf Liter Tropfentank angetreten. Die Frauen packen Verpflegung ein und kommen mit dem Auto hinterher.
Die Familien, Söhne und Töchter eingeschlossen, verbringen so einen nicht unwesentlichen Teil ihrer Freizeit zusammen mit dem SR 2 und seiner Faszination.