Zu wenig Unterstützung vom Land? Landwirt aus Aken: Rinderhalter ringen um Schutz vor dem Wolf
Aken - Wenn Swen Keller an den Wolfsangriff auf seine Rinderherde zurückdenkt, muss er noch heute schlucken. Zwei Kälber und eine Kuh fand der Landwirt im März tot auf der Weide.
Die Kälber waren zu großen Teilen von den Raubtieren gefressen worden. „Das sah schon übel aus“, erinnert sich Keller. Die Kuh lag mit gebrochenem Genick in einem Graben am Rand der Weide - offenbar hatten die Wölfe sie gejagt, bis sie stürzte. „Das muss eine ganz schöne Hatz gewesen sein“, sagt Keller.
2017 gab es bislang 37 Attacken auf Rinderherden, bei denen 43 Tiere starben
25 Mutterkühe hält der Landwirt in der Nähe von Aken im Landkreis Anhalt-Bitterfeld im Nebenerwerb. Bis zu dem Angriff im Frühjahr sei der Wolf nie Thema für ihn gewesen. „Natürlich hört man davon und macht sich Gedanken.“ Er hätte jedoch nie gedacht, dass der Wolf auch zum Problem für Rinder werden könnte.
„Ich bin aus allen Wolken gefallen.“
Tatsächlich werden inzwischen häufiger Kälber von Wölfen gerissen. Das Wolfskompetenzzentrum des Landes, das sich um die Rissbegutachtung kümmert, hat in diesem Jahr bereits 37 Attacken auf Rinderherden gezählt, bei denen 43 Tiere starben.
Die Zahl der getöteten Schafe liegt zwar mit 52 noch höher - allerdings bei nur 16 Angriffen.
Denn viele Schäfer haben inzwischen offenbar effektive Maßnahmen ergriffen, um ihre Herden zu schützen. Engmaschige Netzzäune kommen ebenso zum Einsatz wie Herdenschutzhunde. „Wir empfehlen aufzurüsten“, sagt Simone Dahlmann vom Wolfskompetenzzentrum.
WWF kritisiert die ausbaufähige Unterstützung für Bauern beim Thema Wolf
Prävention sei besser, als sich nach einem Wolfsangriff um eine Entschädigung bemühen zu müssen. Das Land fördert deshalb die Anschaffung von Zäunen und Hunden - allerdings in erster Linie bei Schafen, Ziegen und Gehegewild. Nur in Einzelfällen profitieren auch Rinderhalter.
Genau das kritisiert die Umweltschutzorganisation WWF. Zwar sei Sachsen-Anhalt auf einem guten Weg. Doch noch immer sei die Beantragung der Förderung zu aufwendig und bürokratisch, sagt WWF-Experte Moritz Klose. „Naturschutz ist eine Aufgabe für die ganze Gesellschaft - die Unterstützung der Bauern beim Thema Wolf sollte es ebenso sein.“
Gemeinsam mit Landwirt Keller, der Flächen des WWF bewirtschaftet, haben die Naturschützer deshalb ein Projekt zum Herdenschutz bei Rindern initiiert. „Wenn ich auf staatliche Unterstützung gewartet hätte, würde ich noch immer warten“, sagt Keller. Auch auf die finanzielle Entschädigung für den Wolfsriss warte er bis heute. „Das ist eine Katastrophe.“
Elektro-Zaun und Herdenschutzhunde zum Schutz der Rinder
Nach dem Wolfsangriff im Frühjahr holt Keller seine Herde zunächst sofort in den Stall zurück. Doch auf Dauer will der 47-Jährige seine Tiere dort nicht lassen. „Ich bin ein Verfechter der Freilandhaltung.“ Mit Unterstützung des WWF investiert er deshalb in einen stabilen Elektro-Zaun.
Zudem schafft er sich Herdenschutzhunde an - eine in der Rinderhaltung eher ungewöhnliche Maßnahme. „Vier Wochen nach dem Angriff war meine Herde wieder draußen.“ Bis jetzt habe es keine Probleme gegeben.
Herdenschutzhunde kämen bei der Rinderhaltung bislang nur sehr selten zum Einsatz, bestätigt Christian Emmerich, der als ehrenamtlicher Herdenschutzberater das Projekt von Keller und dem WWF begleitet. „Hunde sind nicht für jede Herde geeignet.“ Auf jeden Fall müssten die Hunde und Rinder erst langsam aneinander gewöhnt werden. Auch WWF-Experte Klose betont: „Die Hunde müssen intensiv trainiert werden.“
Futter und Pflege für Herdenschutzhunde kosten rund 2.000 Euro pro Jahr und Tier
Zudem sind die Hunde nicht billig. Landwirt Keller rechnet für Futter und Pflege mit etwa 2.000 Euro pro Jahr und Tier.
Allerdings biete bereits ein stabiler Elektrozaun effektiv Schutz vor dem Wolf, sagt Herdenschutzberater Emmerich - auch wenn die Kombination aus Hunden und Zäunen optimal sei.
„Viele einfache Zäune, wie sie derzeit eingesetzt werden, halten bestenfalls die Herde auf der Weide.“ Es gebe also viel Potenzial für einen besseren Schutz.
Wölfe zur Jagd freizugeben, wie es viele Wolfskritiker immer wieder tun, hält Landwirt Keller nicht für sinnvoll. „Das würde nichts bringen.“ Ob fünf oder zehn Wölfe in der Nähe seien - komme es zum Angriff, sei der Schaden der gleiche. (dpa)