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Tschernobyl-Katastrophe Köthener spenden für Weißrussland: Stoff- und Essenspenden für Rogatschow

Von Elisabeth Krafft 04.09.2016, 10:00
Helfer verteilen Spenden an Bewohner von Rogatschow.
Helfer verteilen Spenden an Bewohner von Rogatschow. Schulz

Köthen - Mit etwa 35.800 Einwohnern gehört Rogatschow zu den kleineren Städten im Verwaltungsbezirk Homel im Südosten Weißrusslands.

Die Stadt liegt knapp 900 Kilometer von Köthen entfernt. Sie ist kein Touristenmagnet. Auch deshalb nicht, weil der Bezirk Homel zu den am stärksten durch die Katastrophe von Tschernobyl betroffenen Regionen in Weißrussland und der Ukraine gehört.

Der Köthener Raymond Schulz fährt trotzdem regelmäßig nach Rogatschow. Und das mittlerweile schon seit 25 Jahren.

Zwei bis drei Mal im Jahr macht er sich auf den Weg nach Weißrussland, um Lebensmittel und Spenden an die dortige Bevölkerung zu verteilen. Denn Schulz ist Vorsitzender des in Köthen ansässigen Deutschen Fördervereins für Sanitätswesen.

Trotz eigener Angst das Versprechen gehalten

Ein Vierteljahrhundert ist es bereits her, dass eine Gruppe krebskranker Kinder aus Rogatschow in Köthen betreute Ferien machte. Zu ihnen gehörte auch ein 18-jähriger Junge, der an einem Hirntumor litt.

Er nahm dem heutigen Vorsitzenden des Fördervereins das Versprechen ab, seinen Heimatort eines Tages zu besuchen. „Wegen der Strahlung hatte ich ehrlich gesagt Angst und nie in Erwägung gezogen, nach Rogatschow zu reisen.

Aber ich wollte mein Versprechen halten und habe die Fahrt niemals bereut“, sagt Schulz. Es war die erste von vielen.

Den Menschen vor Ort helfen

Nach Überwindung der schweren Wirtschaftskrise im Jahr 2011 stabilisiert sich die Ökonomie in Weißrussland zwar zunehmend, trotzdem leben viele Bewohner Rogatschows in sehr einfachen, zum Teil ärmlichen Verhältnissen.

„Viele Menschen sind arbeitslos. Und die, die arbeiten, bekommen nur einen Bruchteil des Geldes, das wir in Deutschland verdienen“, sagt Schulz.

Lebensmittel würden im Verhältnis dazu jedoch viel Geld kosten, weshalb einige Menschen auf Spenden angewiesen sind. Der Deutsche Förderverein für Sanitätswesen habe es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, mehrmals im Jahr in die weißrussische Region zu reisen und dort in Kooperation mit dem Roten Kreuz Spenden aus dem Landkreis zu verteilen.

Stoffspenden für Glücksbringer

Vor knapp drei Wochen war es wieder soweit. Für eine Woche brach Schulz nach Rogatschow auf, verteilte gemeinsam mit anderen Helfern nicht nur Lebensmittel, sondern auch Pakete, die zuvor von deutschen Sponsoren befüllt und verpackt worden waren.

Seit einiger Zeit sponsert der Förderverein auch Stoffe, die zur Herstellung sogenannter „Domowoi“ - zu Deutsch Monster oder Hausgeist - verwendet werden. Die Stoffpuppen werden traditionell im Haus aufgestellt und sollen Glück bringen, indem sie schlechte Geister verjagen, so Schulz.

Mit Hilfe der Stoffspenden werden sie im örtlichen Kulturhaus gefertigt und dann in Deutschland verkauft. Der Erlös kommt den Bürgern Rogatschows zugute. „Einige Spender, die uns Stoffe zur Verfügung stellen, freuen sich einfach über ein Foto unserer Reise“, sagt Schulz.

Bemerkenswerte Gastfreundschaft

Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse in der Region sei die Gastfreundschaft der Bewohner bemerkenswert. Immer haben sie einen Platz an ihrem Esstisch oder einen Schlafplatz in ihrem Haus frei, sagt Schulz. Mit den Jahren ist Rogatschow für ihn zu einer zweiten Heimat geworden. Er wird zu Hochzeiten eingeladen, ist Teil der Gemeinschaft der Stadt.

Ab 2017 würde Schulz zudem gern wieder Jugendreisen in das weißrussische Gebiet organisieren. Konkrete Pläne gibt es jedoch noch nicht. „Rogatschow ist eine Reise wert, die Umwelt schon lange nicht mehr so stark belastet, wie noch vor einigen Jahren“, weiß er aus Erfahrung. (mz)