Köthen Köthen: Mit Kundengeld jongliert
Köthen/Dessau/MZ. - Was fängt man an mit 500 000 Euro, die man hat, ohne dass sie einem gehörten. Cayman Islands, schlägt Staatsanwalt Ralf Leifermann vor. Dann Schweiz? Kopfschütteln. Vielleicht Schmuck, regt Richterin Sigrun Baumgarten an. Oder vielleicht wurde ins Haus investiert, ein Kredit abbezahlt?
Kathrin W., 41, schwarz gekleidet, kann nicht erklären, wohin das Geld verschwunden ist. Auf den Cayman liege es bestimmt ebenso wenig wie es sich in Schmuck verwandelt habe. Seit Donnerstag steht die Bitterfelderin vor dem Dessauer Landgericht.
825 000 Euro soll Kathrin W. als Angestellte der Volksbank Köthen unterschlagen haben. Fünf Jahre lang, von 2003 bis 2008, bediente sie sich bei insgesamt 19 Kunden. Fünf Jahre fielen die Manipulationen niemandem auf - weder der Revision in der Bank noch den Kunden. Denn die konnten in ihren Sparbüchern Schwarz auf Weiß nachlesen, wie viel Geld sie angelegt hatten. Ein Sparbuch, das ist etwas für Leute, die es nicht so haben mit Internetbanking und der digitalen Welt misstrauen.
Sparbücher leergeräumt
Dennoch hatte W. einen Weg gefunden, Sparbücher leerzuräumen - genau an der Schnittstelle zwischen digitaler und dinglicher Welt. Im Computersystem veranlasste sie Barauszahlungen und legte statt des echten Sparbuchs ein Stück Papier oder ein leeres Sparbuch in den Drucker. Im Original tauchte die Abbuchung nie auf. So bemerkte ein Ehepaar nicht, wie nach und nach 200 000 Euro von seinem Sparbuch verschwanden.
Kathrin W. bestreitet nichts, was man ihr zur Last legt - sie hat bereits Arbeitsgerichts- und Zivilverfahren durch, was zu pfänden ist, ist gepfändet - über 900 000 Euro will der ehemalige Arbeitgeber von ihr zurück. Kathrin W. erzählt auch vor der Wirtschaftsstrafkammer, das Geständnis kürzt den Prozess erheblich ab. Im Gegenzug hat das Gericht der Angeklagten ein Strafmaß zwischen zweieinhalb und dreieinhalb Jahren zugesichert. Den Vorschlag von Annekirsten Hammerla, W.s Anwältin, es bei maximal zwei Jahren zu belassen, die dann auf Bewährung ausgesetzt werden, wollten weder Leifermann noch Baumgarten akzeptieren. Weil zwei Jahre Freiheitsstrafe nicht tat- und schuldangemessen erschienen. Und diese zwei Jahre nur unter besonderen Umständen ausgesetzt werden könnten - Bewährung gibt es normalerweise bei Strafen von maximal einem Jahr.
Obwohl W. aussagt, bleibt diffus, was sie getrieben hat: "Tja", antwortet sie auf diese Frage. Einiges spricht dafür, dass es ihr nicht darum ging, in erster Linie sich selbst zu bereichern. Jedenfalls nicht an den Kundeneinlagen.
Das Grundgehalt bei der Volksbank ist nicht eben üppig. W. wollte Verträge machen. Für Verträge gibt es Prämien. Um Verträge zu machen, muss man Kunden überzeugen, solche abzuschließen. W. bot von allen Volksbank-Mitarbeiterinnen die besten Konditionen, versprach Zinsen von sieben oder acht Prozent. Sie hielt ihre Renditeversprechen dank Barabhebungen von fremden Sparbüchern. Die Bank freute sich über die eifrige Mitarbeiterin, die Kunden über die Renditen.
Bis dreieinhalb Jahre Haft drohen
Addiert man diese, ergeben sich lediglich etwa 100 000 Euro. Was geschah mit dem Rest? Unterm Strich, meinte die Kriminalpolizei, müsste W. für sich selbst 500 000 Euro abgezweigt haben.
Nein, behauptet W. vor Gericht, das Geld sei nahezu komplett bei der Hin- und Herbucherei draufgegangen. Wenn es stimmt, was W. sagt, konnten einzelne Kunden der Volksbank Köthen zudem mit weit höheren Renditen rechnen. Gelegentlich will W. vier- und fünfstellige Summen gegeben haben, zur Aufstockung des bei ihr abgeschlossenen Bausparvertrags. Leifermann lacht ungläubig, als W. Zahlen andeutet: "Das waren ja 150 Prozent." Und Baumgarten warnt: "Sind Sie sicher mit ihrer Aussage? Sie beschuldigen damit andere." W. bleibt dabei: Sie hat das Geld vor allem an andere weitergereicht. Auch mal in Form einer Spende an den Tierschutzverein.
Kann das alles stimmen? Hat W. nicht doch das Geld in einer Steueroase vergraben oder ihren Reichtum in Schmuck angelegt? Dazu schweigen die Akten. Es gibt nur die vagen Aussagen der Angeklagten. Erinnert sie sich nicht? Oder will sie die von ihr mit Geld Beglückten schützen? Richterin Baumgarten und Staatsanwalt Leifermann fragen nach, ohne zu insistieren. Es gibt das Geständnis. Es gibt den Deal. Er verheißt der Täterin zweieinhalb bis dreieinhalb Jahre Haft und bringt ein möglicherweise ins Uferlose auswachsendes Verfahren in ein kompaktes Format. Freilich um den Preis, dass vieles, was sich zugetragen hat, im Nebel des Ungefähren versinkt.
Der Volksbank Köthen kann es nur recht sein. Keiner ihrer Mitarbeiter wird, so der Deal hält, vor Gericht erklären müssen, warum nur ein Zufall W.s Manipulationen auffallen ließ: Zwei Parteien stritten sich, wem 500 000 Euro auf einem bestimmten Konto gehörten. Ein Beleg war manipuliert. Von W. Die übrigens inzwischen wieder bei einer Bank arbeitet. Das Verfahren wird voraussichtlich am 16. Dezember mit einem Urteil enden.