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Köthen Kultur und Marketing Köthen Kultur und Marketing: Post von Aribert

Von Ute hartling-lieblang 12.09.2013, 19:49
Brigitte Heinze mit der historischen Drogensammlung, die das Museum von der Köthener Mohrenapotheke geschenkt bekam.
Brigitte Heinze mit der historischen Drogensammlung, die das Museum von der Köthener Mohrenapotheke geschenkt bekam. Heiko rebsch Lizenz

Köthen/MZ - Nur selten verirrt sich der normale Museumsbesucher in die Räumlichkeiten der langjährigen Museumsmitarbeiter Inge Streuber (Fachbereichsleiterin) und Jan William Howard im Ludwigsbau des Köthener Schlosses. Doch hier oben verbergen sich - nicht zugänglich für die Öffentlichkeit - viele museale Schätze. So unter anderem ein umfangreiches Archiv mit historischen Fotos und Postkarten oder die Inventarbände der Jahre 1911 bis 1945. Auch eine Drogensammlung wird hier aufbewahrt, und last but not least, der Briefverkehr von Aribert Prinz von Anhalt mit Hermann Wäschke. Der in Großpaschleben geborene Wäschke ist der heutigen Zeit vor allem als Verfasser der mundartlichen Paschlewwer Jeschichten ein Begriff. Für den Prinzen war es aber sicherlich wichtiger, mit Wäschke als dem Leiter des Herzoglichen Haus- und Staatsarchivs zu kommunizieren.

Eine, die das große Glück hat, seit drei Jahren in diesen Dokumenten zu stöbern, ist Brigitte Heinze. Sie tut das aber nicht aus reiner Neugier, sondern im Rahmen einer Maßnahme für über fünfzigjährige Langzeitarbeitslose (Ü50) bei der Beschäftigungsgesellschaft BVIK in Köthen.

Archivarin bei Kranbau

Brigitte Heinze bringt dafür beste Voraussetzungen mit, denn sie war 25 Jahre lang Archivarin bei Kranbau Köthen. Was die Fachbereichsleiterin des Museums an der Arbeit von Brigitte Heinze schätzt, ist deren Akribie. „Sie macht das wirklich sehr gewissenhaft und gründlich“, sagt Inge Streuber.

Zunächst hat die Köthenerin sämtliche Inventarlisten des Museums in eine Excel-Datei im Computer übertragen. „Das erleichtert unsere Arbeit sehr“, sagt Jan William Howard. Nun könne man per Mausklick schnell das finden, wonach man gerade sucht, und müsse nicht mehr umständlich in den Listen blättern.

Die Arbeit habe etwa ein halbes Jahr in Anspruch genommen, schildert Heinze. Das Inventarverzeichnis des Museums enthält alle Käufe, Schenkungen und Leihgaben. Dort ist unter anderem auch die alte Drogensammlung aufgelistet, die die Köthener Mohrenapotheke dem Museum kürzlich geschenkt hat.

Brigitte Heinze hat die vier Kästen mit etwa 200 kleinen Schachteln voller Heil- und Nutzpflanzen wie Thymian, Kamille oder Wacholder, die zum Teil noch heute in der Pharmazie verwendet werden, in mühevoller Kleinarbeit mit neuer Klarsichtfolie versehen, damit man sie betrachten kann, und das Drogen-Verzeichnis der Firma Caesar & Lorenz aus den 50er Jahren erneuert. „Das hat teilweise ganz schön unangenehm gerochen“, gesteht Heinze, doch davor habe sie sich nicht gescheut.

Als nächste große Aufgabe übernahm die Köthenerin die Erarbeitung einer Übersicht über die Köthener Straßennamen, die sich im Laufe der Jahrzehnte mehrfach verändert haben. Damit Howard und Streuber künftig die historischen Fotos der Museums-Sammlung besser zuordnen können, hat Brigitte Heinze Straße um Straße in einer Liste erfasst. Dort steht nun genau, wie lange zum Beispiel die Friedrich-Ebert-Straße Heinrichstraße genannt wurde, nämlich bis 1945. Solche Straßenumbenennungen waren oft mit einem Systemwechsel verbunden.

So erhielten zum Beispiel ab 1933 viele Köthener Straßen die Namen von Nazigrößen wie Adolf Hitler (Weintraubenstraße); Hauptmann Loeper (Friedrichstraße) und Hermann Göring (Baasdorfer Straße). Auch 1947 gab es viele Straßenumbenennungen. So wurde zum Beispiel aus der Friedhofstraße die Straße des 7. Oktober und die von Adolf-Hitler-Straße wieder rückbenannte Weintraubenstraße erhielt erneut einen neuen Namen: diesmal Ernst-Thälmann-Straße. Der Köthener Volksspott machte daraus umgehend die „Adolf-Thältrauben-Straße“. Nach der Wende erhielten viele Straßen ihren ursprünglichen Namen zurück. Die Weintraubenstraße heißt auch heute wieder so. Besonders oft umbenannt wurde die Dr.-Krause-Straße, die bis 1913 Klepziger Straße hieß, dann - noch zu Lebzeiten von Dr. Krause - 1947 wegen dessen Verdienstes um die Stadt seinen Namen bekam, zu DDR-Zeiten in Leninstraße umbenannt wurde und heute wieder Dr.-Krause-Straße heißt.

Adressbücher und Straßenpläne

Um das alles herauszufinden, hat Brigitte Heinze im Köthener Stadtarchiv recherchiert oder in alten Adressbüchern geblättert. Auch alte Straßenpläne hat sie zurate gezogen, obwohl die zum Teil fehlerhaft sind, wie Streuber und Howard bestätigen.

Am meisten Freude hatte Brigitte Heinze aber offenbar an dem Briefwechsel zwischen Aribert Prinz von Anhalt (1864 bis 1933) und dem Mundartdichter Hermann Wäschke. Das Museum bekam die Dokumente aus Wäschkes Nachlass von dessen Neffen, dem Lehrer W. Busch aus Alfeld. Geschrieben haben sich beide über rund 25 Jahre.

Brigitte Heinze hat die Briefe aus der alten deutschen Handschrift „übersetzt“. In dem ersten überlieferten Brief vom 10. November 1901 berichtet Aribert : „Nun habe ich eine andere interessante Arbeit vor, die Ausgrabung der Burg Anhalt.“ Es seien bereits „recht interessante Funde gemacht worden“.

Briefe vom Prinzen

Am 25. März 1912 schildert der Prinz von einem Sturz im Schloss Rotall, wo er kopfüber zehn Stufen die Treppe hintergestürzt sei. Offenbar hatte er Humor, denn er lässt unter anderem wissen: „Meine römisch-griechische Nase hat auch etwas gelitten und hat mehr die Form einer Kartoffel angenommen.“ Der Briefwechsel endet am 5. Juli 1926, kurz vor dem Tod von Hermann Wäschke im November. Zitat: „Wir sitzen hier inmitten des großen Hochwassers, dabei wird heute Abend von Dresden noch bedeutender Wuchs gemeldet. Wirklich alles ist bei uns aus dem Gleichgewicht und seiner alten Ordnung! Ihr getreu ergebener Aribert.“