Köthen Köthen: Der Witz von der arischen Kuh
köthen/MZ. - Norbert Postler hat es "schon wieder getan", wie VAL-Chefin Monika Knof feststellte. Oder er hat es schon wieder geschafft, wie man auch sagen könnte. Kurz vor dem Weihnachtsfest ist der Kriminaldirektor a. D. mit dem dritten Band seiner Köthener Polizeigeschichte fertig geworden. Das Produkt von ebenso langwierigen wie aufwändigen Recherchen stellte Postler am Montagabend im Hotel "Stadt Köthen" einem interessierten Publikum vor, das sich nicht nur über das gelungene Werk freuen konnte, sondern auch über Postlers Vortrag. Der hatte nichts von Kathederstaub an sich, sondern war unterhaltsam und manchmal auch ein bisschen burschikos.
Auf alle Fälle macht Postler keinen Bogen um historische Widrigkeiten. Was gerade bei der Behandlung der Köthener Polizeigeschichte in der Frühzeit des Dritten Reiches notwendig ist - denn in Köthen setzte die Herrschaft der Braunen genau genommen schon deutlich früher ein als in ganz Deutschland. Bei den Stadtratswahlen am 25. Oktober 1931 wurde die NSDAP mit 12 Sitzen stärkste Partei - was sie letzten Endes ausnutzte, um auch Einfluss auf die Polizei in Köthen zu nehmen. Die war bis dato mehr oder minder stark durch SPD-Leute oder wenigstens der SPD nahestehende Beamte geprägt, und darauf richteten die NSDAP-Stadträte nun ihr parlamentarisches und juristisches Dauerfeuer .
Erfolgreich: Polizeidezernent und Bürgermeister Levin musste gehen und wurde durch den strammen Nazi Richard Hengst ersetzt. Zwar gab es Anfang 1933 noch eine kurze Zeit, in der die Kräfte der Demokraten im Stadtrat noch ausreichten, die NSDAP in die Schranken zu weisen, das aber war spätestens im März 1933 vorbei. Danach wurden OB Erich Damerow und auch Polizeioberinspektor Erich Strohmeyer aus ihren Ämtern entfernt und durch NSDAP-Vertreter ersetzt. Strohmeyer hatte zwar versucht, sich noch eine NSDAP-Mitgliedschaft zu verschaffen, das half ihm aber nicht mehr.
Postler befasst sich in seinem Buch ausführlich mit den politischen Rahmenbedingungen in den frühen 30er Jahren, und dies ist wichtig, weil man nur vor diesem Hintergrund die Entwicklungen verstehen kann, die danach folgten - auch in Köthen. Postler hat in dieser Hinsicht von der schleichenden Machtübernahme im Rathaus bis hin zur Rolle der Polizei im Spannungsfeld der politischen Auseinandersetzungen knappe, aber detailreiche Historie verfasst, die im Buch durch hilfreiche Übersichten und viele Fotos aufgelockert wird.
Wie schon in den Bänden zuvor besichtigt Norbert Postler die Polizei aber nicht nur aus Sicht der nüchternen Quellenlage. Er greift sich erneut einen speziellen Bereich der polizeilichen Tätigkeit heraus - diesmal stehen die Aufgaben der Gewerbepolizei im Mittelpunkt, von der Überwachung des Glücksspiels über die Bekämpfung der Schwarzarbeit bis zu gewerbeaufsichtlichen Obliegenheiten - das Buch spiegelt in dieser Hinsicht eine verblüffende und vielen sicherlich unbekannte Vielfalt der Polizeiarbeit im vergangenen Jahrhundert wider. Und dabei mussten manchmal komplizierte Fragen geklärt werden. Zum Beispiel: Was gilt als deutscher Volkstanz? Denn nur solche durften am Vorabend des Oster- und des Weihnachtsfestes bei öffentlichen Tanzveranstaltungen gespielt werden. Kein Wunder also, dass der Stadtmusikdirektor sich sicherheitshalber an die Polizei um Aufklärung wandte. Der Vollständigkeit halber soll das Ergebnis nicht verschwiegen werden: Walzer, Polka und Rheinländer seien als deutsche Tänze anzusehen, hieß es.
Natürlich fehlen im dritten Band auch nicht die "Kriminalfälle aus vergangener Zeit", diesmal u.a. "Ein geheimnisvoller Raubmord" und "Der Witz von der arischen Kuh". Und Postler hat auch sein Lieblingsthema wieder mit Herzblut genährt: die Lebensläufe Köthener Polizisten. Diesmal geht es um den Schupo Otto Gunkel, um Polizeikommissar Karl Seeger und Hauptwachtmeister Friedrich Rümpler. Versprochen und in nächtlicher Lesung geprüft: Da ist keine langweilige Seite zu finden.
Das Buch ist zum Preis von 9,90 Euro im Stadtarchiv und im Köthener Buchhandel zu erwerben.