Köthen Köthen: «Bardenspyl» mit wuselndem Apitz
KÖTHEN/MZ. - Das jedenfalls dachte sich Margot Tanne und tauschte das Programm der ARD am Samstagabend gegen das Konzert im Johann-Sebastian-Bach-Saal des Köthener Veranstaltungszentrums. Ihre Entscheidung hat die Besucherin aus Kütten nicht bereut.
Ein Potpourri aus Melodien erwartete die Besucher. "Das Programm ist vielfältiger geworden", blickte Martina Apitz auf vergangene Nocturnes zurück. Die Kirchenmusikdirektorin ist gemeinsam mit Ehemann Manfred Apitz maßgeblich am Erfolg der traditionellen Konzertveranstaltung beteiligt.
Kaum hatte der Musikschullehrer die Bühne betreten, verfiel das Publikum in tosenden Beifall. "Wir haben doch noch gar nichts gemacht", wunderte sich Manfred Apitz. Mit Streichern und Bläsern des Orchesters eröffnete der Violinist das diesjährige Nocturne. Die Bezeichnung stammt übrigens aus dem Französischen und bedeutet Nachtstück.
Den Charaktermärschen des Komponisten Georg Philipp Telemann folgte das "Regentropfenprélude" von Frédéric Chopin. Mit der Walzerfolge "Wiener Buben" des Österreichers Carl Michael Ziehrer verlieh das Orchester Kuckuck, Katze und Maus sowie Hase und Igel Gehör.
Charakteristisch für die Köthener Nocturnes ist eine gelungene Mischung verschiedener Musikrichtungen. Dass klassische und mittelalterliche Melodien zu einer Einheit verschmelzen können, bewies das Orchester in Zusammenarbeit mit der Gruppe "Bardenspyl". Bei vorbarocken Liedern, wie "Tourdion" und "Maienzeit", harmonierten moderne Streich- und Blasinstrumente mit Rebec und Drehleier.
Sebastian Elfers, Leiter der Gruppe "Bardenspyl", war von der musikalischen Kooperation begeistert. Der Großpaschlebener hob hervor, dass klassische und vorbarocke Musik gewisse Parallelen haben. "Die Geige hat ihren Ursprung in einem Instrument des Mittelalters", machte er im Hinblick auf die Fiedel deutlich. Margot Tanne gefiel die musikalische Mischung. Der unangefochtene Star des Abends war für sie jedoch Schwiegersohn Helmut Dawal. Er interpretierte die "Lorelei" in Mundart, sang "Rote Lippen" und "Michaela". Ehefrau Christine Dawal verfolgte den Auftritt ihres Mannes sehr genau. "Ich fiebere immer mit", erzählte die Küttenerin.
"Es ist eine ganz tolle Sache, wenn Leute, die sonst etwas anderes machen, so etwas singen", betonte Manfred Apitz. Damit meinte er nicht nur MZ-Redakteur Helmut Dawal, sondern auch Katrin Bogda. Die Sängerin der Band "No Name" ist für ihre kraftvolle Stimme bekannt. Zum Nocturne schlug sie zunächst ruhige Töne an. Bei "It's A Heartache" und "It's So Easy" stellte Katrin Bogda dann ihre geballte Stimmkraft unter Beweis.
Ein gemütliches Ambiente, das weit entfernt von strenger Konzertatmosphäre war, prägte das herbstliche Nocturne. Manfred Apitz animierte das Publikum, bei "Freut euch des Lebens" kräftig mitzusingen. Irische Folklore paarte der Musiker mit passenden Tanzschritten und kam damit einem Wunsch von Stammgast Stephanie Hardelt nach. "Wenn das ganz schief geht, tanzt jeder wie er will", schmunzelte Manfred Apitz.
Dass das Nocturne nicht nur vom Organisationstalent des Ehepaares Apitz lebt, sondern auch vom unverwechselbaren Charme des Violinisten, wurde am Samstagabend wieder einmal deutlich. Während Martina Apitz konzentriert am Piano saß oder den Nocturne-Chor dirigierte, wuselte Manfred Apitz über die Bühne und rückte Notenständer zurück. Wenige Sekunden später griff der begnadete Musiker zur Violine und legte los.
Mit den Spirituals "Just A Closer Walk With Thee" und "Michael, Row The Boat Ashore" machte der Musikschullehrer auch vor Liedern mit religiösem und politischem Hintergrund nicht Halt. Die ostdeutschen Klassiker "Über sieben Brücken" und "Apfeltraum" durften ebenso wenig fehlen. "Im Wagen vor mir fährt ein junges Mädchen" war der krönende Abschluss eines gelungenen Konzertabends. Helmut Dawal schlüpfte in die Rolle des smarten Autofahrers Henry Valentino. Katrin Bogda mimte die kesse Uschi.
"Ich finde es toll, dass in Köthen etwas los ist", lobte Anja Schulte Varendorf das Nocturne. Dass das geplante Feuerwerk aufgrund des Regens ausfallen musste, störte am Ende niemanden. Schließlich war der Abend ohnehin ein unvergessliches Feuerwerk der Musik gewesen.