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Köthen Köthen: Auf der Suche nach den Vorfahren

Von CLAUS BLUMSTENGEL 02.02.2011, 17:37

KÖTHEN/MZ. - Seit 15 Jahren gibt es in Köthen eine Einrichtung, deren Dienste von Bürgern aus ganz Sachsen-Anhalt in Anspruch genommen werden. Wer Ahnenforschung betreibt, für den ist die Forschungsstelle für Genealogie in der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage ("Mormonen") im Wattrelos-Ring eine gute Anlaufstelle. Längst sind nämlich die Zeiten vorbei, als man auf der Suche nach den Ur-Ur-Großeltern quer durch Deutschland und vielleicht sogar ins Ausland fahren musste, um in Kirchenbüchern nach ihnen zu suchen. Nicht wie heute die Standesämter, sondern die Pfarrer haben nämlich früher Hochzeiten, Geburten und Todesfälle dokumentiert. Diese Kirchenbücher sind - soweit noch vorhanden - zu einem großen Teil schon auf Mikrofilmen gesichert. Und den mit über zwei Millionen Filmen größten Bestand weltweit hat das Genealogie-Archiv der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage in Salt Lake City im US-Bundesstaat Utah mit seinem deutschen Zentralarchiv in Bad Homburg.

Über das Internet können Familienforscher in Datenbanken nach ihren Ahnen suchen. Finden sie sich auf Mikrofilmen in Bad Homburg oder Salt Lake City, so können diese zum Versand in eine Genealogie-Forschungsstelle angefordert und dort auf einem Großbildschirm gelesen werden. Solche Forschungsstellen gibt es in Sachsen-Anhalt außer in Köthen noch in Halle und Halberstadt.

Wer mit der Erforschung seiner Familiengeschichte beginnen will, der macht es am besten wie Holger Rösler von der Forschungsstelle für Genealogie in Köthen, der vor 25 Jahren damit begonnen hat. "Ich habe zuerst meine Großmutter befragt", berichtet er. Sie hatte ihrem Enkel viel zu erzählen, denn sie war mit elf Geschwistern aufgewachsen. Holger Rösler schrieb alles auf und hatte damit eine Grundlage für seine spätere Forschungsarbeit. "Ich bin heute noch froh über dieses Gespräch mit meiner Großmutter. Nach ihrem Tod vor 18 Jahren wären diese Informationen sonst für immer verloren", sagt er. Hat man alle Verwandten befragt, Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden eingesehen, beginnt mit den daraus gewonnenen Informationen die Recherche im Internet. Dafür könne man auch einen Computer in der Forschungsstelle nutzen, wobei ehrenamtliche Mitarbeiter gern Hinweise geben, wie die Interessenten am besten vorgehen, sagt das Oberhaupt des Köthener Zweiges der Glaubensgemeinschaft Björn Barthel.

Allerdings sei die Suche nicht immer erfolgreich, schränkt Barthel ein. Während man auf der Suche nach polnischen Vorfahren sehr häufig fündig werde, seien in manchen deutschen Gegenden erst wenige Kirchenbücher verfilmt. Dann bliebe tatsächlich nur die Fahrt zum jeweiligen Pfarramt.

Die Köthener Forschungsstelle hat Stammleser, die sich schon viele Jahre Mikrofilme hierher schicken lassen. "Mancher hat seine Familiengeschichte schon bis in die Jahre 1700 und 1650 zurück verfolgt. Das ist schon beeindru- ckend", berichtet Holger Rösler, dem das selbst auch gelungen ist. Viele Pfarrer hätten die amtlichen Eintragungen sogar mit Informationen über Beruf, Lebenswandel und die Umstände des Todes ergänzt. Es sei faszinierend, etwas über das Leben früherer Generationen zu erfahren, gerät Rösler ins Schwärmen. Ein Besucher der Forschungsstelle aus Magdeburg habe sogar einen Vorfahren aus dem Jahr 1450 gefunden, erinnert sich Björn Barthel. "Aber dazu gehört großes Glück. Viele Kirchenbücher gingen im Dreißigjährigen Krieg verloren", so Barthel.

Seit drei Jahren nutzt Sylvia Warthemann aus Magdeburg die Forschungsstelle für Genealogie in Köthen. Anfangs wollte sie nur mal herausfinden, ob sie von ihren Ahnen bestimmte Eigenschaften "geerbt" hat. "Wenn man einmal damit angefangen hat, kann man nicht mehr aufhören, es ist wie eine Sucht", beschreibt sie ihr Interesse an der Familienforschung. Allerdings sei das Lesen der Kirchenbücher mit ihrer Sütterlin-Schrift nicht immer einfach. So mancher Pfarrer habe eine schlechte Handschrift gehabt, andere Dokumente seien schon vergilbt oder beschädigt.

Die Geschichte ihrer Familie hat Sylvia Warthemann jetzt bis ins Jahr 1640 zurückverfolgt. Sie wanderte mit den Generationen gedanklich von Polen über Sachsen und das Mansfelder Land bis in den heutigen Saalekreis. Und hat dabei eine überraschende Entdeckung gemacht: "Über viele Generationen waren wir Bergleute, und ich arbeite auch im Bergbau", erzählt Sylvia Warthemann. Noch tiefer in die Geschichte ihrer Familie vorzudringen, sei nun aber Glückssache. 1648 ging der Dreißigjährige Krieg zu Ende, und davor wurden viele Kirchenbücher vernichtet.

Nach Köthen fährt die Familienforscherin, weil sie die benötigten Mikrofilme in Magdeburger Archiven nicht gefunden hat und sich die Fahrten zu den vielen Pfarrämtern, in denen die Originale liegen, sparen möchte.

Nun sind die Genealogie-Forschungsstellen in Deutschland Einrichtungen der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage. Obwohl jeder Mikrofilme dort lesen kann, auch wenn er dieser Glaubensgemeinschaft nicht angehört, dürfte das für manchen ein Problem sein. Günther Unger, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für mitteldeutsche Familienforschung mit Sitz in Kleve, hat gute Erfahrungen mit den Forschungsstellen der Mormonen gemacht. "Wir empfehlen unseren Mitgliedern, dieses Angebot zu nutzen. Nach unseren Erfahrungen werden die Forschungsstellen nicht für die Missionierung genutzt", gibt er Auskunft.

Die Forschungsstelle für Genealogie in Köthen, Wattrelos-Ring 27 (hinter Peugeot), Telefon 03496 / 55 29 39, ist dienstags von 18 bis 21 Uhr geöffnet.