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Klepzig feiert die Weltmeister Klepzig feiert die Weltmeister: Kohlgartenweg im WM-Fieber

Von Claus Blumstengel 14.07.2014, 05:31

Klepzig/MZ - Tröten, Rasseln, Paukenschläge - ein Höllenlärm am Sonntagabend bei Familie Holz im Klepziger Kohlgartenweg. „Die Nachbarn können sich aber nicht beschweren, die sind ja fast alle hier“, sagt Gastgeber Thomas Holz verschmitzt. 21 Männer, Frauen und Kinder sitzen dicht an dicht auf der überdachten Terrasse und schauen das WM-Finalspiel Deutschland gegen Argentinien.

19.45 Uhr: Bei Familie Holz im Kohlgartenweg sind die Gäste nach und nach eingetroffen. Einige Männer kegeln sich für das bevorstehende WM-Finale warm.

Jede der zehn Familien hat etwas mitgebracht, der Tisch füllt sich mit Flaschen und Platten. 240 Schnittchen haben die sechs Damen vom Frauen-Fanblock geschmiert und mit kleinen Nationalflaggen geschmückt.

20.30 Uhr: Nun werden die Tipps abgegeben, die Franziska Holz auf ein A2-Blatt schreibt. „2:0 - natürlich für Deutschland“, sagt Gastgeberin Diana Holz und ihre Tochter traut dem deutschen Team ein 3:1 gegen Argentinien zu. „2:1“ sagt Bernd Holz, der Vater des Gastgebers, voraus. „Wir sind Fußballfans, aber wir verlieren die Bodenhaftung nicht“, kommentiert er die Tipps seiner Nachbarn und ist überzeugt: „So groß wie diesmal waren unsere Chancen noch nie!“.

Von 3:0 bis 4:2 lauten die Tipps mit den meisten Toren, eine Niederlage sieht keiner der Nachbarn voraus, die alle das weiße WM-Trikot tragen und ihre „Pflicht-Fanuntensilien“ angelegt haben. Nur einer Tippt auf 1:1 - Olaf Peters im blauen T-Shirt(!) - lautstarke Proteste folgen. „Ich kenne zwei Leute, die absolut keine Ahnung von Fußball haben - ich und Jogi Löw“, beschreibt der Klepziger seine Urteilsfähigkeit.

20.55 Uhr: Die fröhliche Runde singt gemeinsam mit der deutschen Nationalmannschaft die Nationalhymne. „Kramer für Khedira - was soll denn das?“, fragt Matthias Schmidt, noch ehe der Moderator die Entscheidung erklären kann. Dann Empörung in der Runde: „Das war ein brutales Foul“, schimpft Matthias Schmidt, als Christoph Kramer blutend am Boden liegt. Die Wiederholung bringt es ans Licht: Ein Argentinier hat ihm mit dem Ellbogen attackiert. „Lauf nicht so weit weg vom Tor“, ruft Karla Schmidt (67) Bastian Schweinsteiger zu. „Mein Herz pocht“, sagt Thomas Holz und meint: „Man merkt, das ist kein Karnevalsverein.“

21.30 Uhr: Ein Wechselbad der Gefühle: Tor für Argentinien. Hände werden vor Gesichter geschlagen. Gleich darauf Jubel - der Linienrichter erkennt auf Abseits. Sekunden später wieder Verärgerung: Schweinsteiger bekommt die Gelbe Karte. „Wegen einer Kleinigkeit“, ist sich die Runde einig. „Der Schiedsrichter ist definitiv nicht auf unserer Seite“, ist Thomas Holz überzeugt.

21.47 Uhr: Halbzeit. Erste Kommentare machen die Runde. „Unsere Männer müssen offener spielen. Argentinien hatte viel zu große Chancen, die hätten ha beinahe ein 1:0 gehabt“, kritisiert Bernd Holz. „Fertigmachen zum Jubeln“, heißt es dann 22.38 Uhr. Schreie „schiiiiieß“, doch der Ball geht knapp vorbei. „Da kriegste doch Läuse“, seufzt Karla Schmidt.

22.52 Uhr: „Auf gehts, Deutschland schießt ein Tor“, feuert die Runde singend ihre Mannschaft an. Doch die Nachspielzeit läuft und läuft, inzwischen ist es 23.10 Uhr und der MZ-Redakteur muss unter frenetischen Anfeuerungsrufen der inzwischen 24 Bewohner des Kohlgartenweges seine Berichterstattung wegen des herannahenden Redaktionsschlusses trotz des hartnäckig auf der Anzeigetafel klebenden 0:0 abschließen. „Die Bälle werden viel zu leicht verloren!“ „So eine Sch...“ werden die Rufe drastischer. „Überleg doch mal, die sind doch auch fertig“, beschwichtigt jemand. Und immer wieder: „Schieß doch!“

Anspannung bis zum Schluss, rufe, Schreie, die Tröten wurden längst beiseite gelegt. Keiner der 24 Männer und Frauen spürt die Stiche der Mücken, die nun über die Runde herfallen. Dann wird es ruhiger. Keiner wagt mehr eine Vorhersage. 23.35 Uhr dann endlich das erlösende Tor. Der Jubel kennt keine Grenzen mehr. Doch das Spiel ist noch nicht vorbei.

„Egal, wie es heute ausgeht, wir sind und bleiben eine gute Truppe. So etwas hat man wirklich selten“, zieht Matthias Schmidt schonmal ein Fazit des Abends.