Kampf gegen Rechts Kampf gegen Rechts : Diese Männer stecken hinter dem bunten Tierparkfest in Köthen
Köthen - Michael Engelmann lehnt sich zurück. Für einen kurzen Moment zumindest. Er sitzt unter der großen Platane auf dem Platz vor dem Tierpark in Köthen. Eine kurze Verschnaufpause für den Tierpark-Chef, der an diesem Sonnabendnachmittag Gastgeber einer spontanen Aktion für ein weltoffenes Köthen ist.
Der Platz, wo sonst die Autos der Besucher stehen, ist voll. Mehr als 800 Leute sind da, einige von ihnen spazieren durch den Tierpark. Am Rand des Platzes stehen Stände. Die „Freie Schule Anhalt“ präsentiert sich, außerdem der Kleinkunstverein „rondo la kulturo“ und die „Neue Fruchtbringende Gesellschaft“. Auf der Bühne tanzen die Kinder von „Step by Step“. Schüler der Musikschule „Johann Sebastian Bach“ spielen. Die meisten von ihnen haben erst am Morgen von der Aktion erfahren.
17 Stunden zuvor: Im Keller eines Lokals sitzen einige Mitglieder der Initiative „#wirwollendasselbe - Ein friedliches Köthen“ zusammen. Sie sind geknickt. Die Hochschule Anhalt und der SPD-Ortsverein mussten soeben den geplanten Aktionstag „Weltoffene Hochschulen“ auf dem Marktplatz absagen. Der erste Gedanke: Scheiße. Der zweite Gedanke: Kopf hoch, wir machen etwas anderes. Denn hier will keiner die Stadt am Sonnabend den Rechtsextremen überlassen.
David Schaller-Engelmann, der Mann des Tierpark-Chefs Michael Engelmann, ergreift das Wort: „Wir machen ein Fest im Tierpark.“ Die Idee kommt an. Da ist es Freitagabend gegen 21.30 Uhr. „Wir haben alle rumgesponnen. Jeder hat Ideen eingebracht“, sagt er. Doch viel Zeit zum Rumspinnen ist nicht. Das Fest braucht Menschen, das Fest braucht ein Programm. Und nicht zuletzt eine Genehmigung. Die haben die Organisatoren sofort. Denn Oberbürgermeister Bernd Hauschild (SPD) ist auch da. Er leitet alles in die Wege.
Das Lokal wird zur Organisationszentrale. Hier haben sich die Mitglieder der Initiative in den vergangenen Wochen oft getroffen, um Aktionen zu planen. Die Kreideaktion am 15. September auf dem Marktplatz zum Beispiel.
„Hass und Hetze gehören nicht in diese Stadt“
Den Anstoß zu der Initiative hat das Paar Engelmann/Schaller-Engelmann gegeben. „Wir wollen, dass Köthen familiär und friedlich bleibt. Hass und Hetze gehören nicht in diese Stadt“, sagt Michael Engelmann. Nach dem tragischen Tod von Markus B. in der Nacht zum 9. September jedoch wurde Köthen durch Demonstrationen mehrfach zum Schauplatz von rechter Hetze. Das wollten die Ehemänner nicht länger hinnehmen. „Köthen ist eine wunderschöne Stadt, in der Menschen unterschiedlicher Nationen friedlich zusammenleben“, sagt Michael Engelmann.
Die spontane Aktion am Sonnabend muss ein Erfolg werden, das war allen klar. Möglichst viele sollen sich daran beteiligen. „Wir haben Leute in der Nacht aus dem Bett geklingelt“, sagt David Schaller-Engelmann. Jede Zusage bestärkte das Team darin, den richtigen Weg zu gehen. „Man hat gemerkt, dass es vielen ein Bedürfnis war, da mitzumachen“, erklärt Michael Engelmann. „Alle waren voll motiviert und froh über die Alternative.“ Sie wollen den Rechtsextremen nicht die Stadt überlassen. Sie wollen ein Zeichen gegen Fremdenhass setzen. Ein Zeichen für ein weltoffenes Köthen.
Fest in Köthen: Auch auswärtige Künstler sind dabei
Nicht nur Köthener, auch auswärtige Künstler machen mit. „Viele waren schon auf dem Rückweg“, erzählt Michael Engelmann. Christina Lux und Oliver George zum Beispiel. Die Liedermacher waren bereits unterwegs nach Köln. Sie drehten sofort um, als sie von der Aktion am Tierpark hörten.
Bis in die frühen Morgenstunden plante die Initiative die Aktion. Viel Zeit zum Schlafen blieb nicht. Dann mussten Tische und Bänke aufgebaut, Pavillons aufgestellt werden. Immer mehr Helfer kamen dazu. „Wir wollen uns von Rechts nicht in die Enge treiben lassen“, sagt Schaller-Engelmann. Von Leuten, die seit einigen Wochen immer wieder „Wir sind Köthen“ rufen, aber gar nicht aus Köthen kommen.
Am Samstag gegen 14.30 Uhr beginnt dann das Fest vor dem Tierpark. Schüler, Händler, Politiker, Lehrer, Sportler und viele weitere Köthener sind dabei. „Zeigen wir heute das wahre Gesicht dieser Stadt und unseres Landes“, machte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) deutlich. Am Tierpark zu feiern und sich die Stadt nicht wegnehmen zu lassen, sagte Wissenschaftsminister Armin Willingmann, sei ein tolles Signal in dieser Stadt, in der zahlreiche ausländische Studenten leben.
„Es ist beeindruckend, was innerhalb von nicht mal 24 Stunden auf die Beine gestellt werden kann, wenn man sich auf Leute verlassen kann“, sagt Engelmann. Verlassen kann sich der Tierpark-Chef an diesem Tag auch auf seine eigenen Leute. Denn die braucht er auch für die Tiere. Und als Gastgeber einer spontanen Aktion für ein weltoffenes Köthen. (mz)