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K-Wagen-Sport K-Wagen-Sport: Rasende Rentner in kleinen Kisten

Von LOTHAR GENS 06.08.2009, 16:55

KÖTHEN/MZ. - Angst vor schmutzigen und öligen Händen hatten diese drei noch nie. Denn wenn sie nicht vor über 40 oder über 30 Jahren in ihren K-Wagen rund um den Köthener Scherbelberg jagten oder das Publikum bei Rennen in den damaligen befreundeten RGW-Staaten begeisterten, dann schraubten sie unermüdlich an ihren kleinen Fahrmaschinen, die über erstaunliche Agilität verfügen. Und das tun sie auch jetzt wieder, die vielen, vielen Jahre später.

Horst Winzler, Horst Rudolph und Rudi Weber sind heute die Historische K-Wagen-Gruppe Köthen, waren aber früher hier die Lokalmatadoren in ihrem Sport und machten auch international auf sich aufmerksam. Doch trotz aller damals erreichten Meisterehren - immerhin ist Horst Winzler viermal Deutscher Meister (so hieß das wirklich!) gewesen und hat dreimal den RGW-Pokal gewonnen, Horst Rudolph war einmal Deutscher Juniorenmeister und einmal Drittplatzierter der Deutschen Meisterschaft, Rudi Weber war ebenfalls einmal Drittplatzierter der Deutschen Meisterschaft und hat mehrere Läufe um den RGW-Pokal gewonnen - seinerzeit gab es noch keine Rennställe mit Scharen von Mechanikern und vielleicht noch eigenem Management. Horst Winzlers Mechaniker hieß Horst Winzler. Nicht anders verhielt es sich bei Rudi Weber und Horst Rudolph, deren Boxen-Crews - bis auf einige freiwillige Helfer - eben diese Namen trugen. Mehr noch: Die drei waren die Entwicklungsingenieure ihrer flotten Kisten.

Und nicht mehr die Jüngsten. Nehmen wir Horst Winzler, den Nestor unter den dreien. Bei ihm ging's erst als 27-Jähriger "auf die Piste", 1962 zuerst auf dem so genannten Stadtkurs (Augusten- / Leninstraße). Dann, 1963, wurde die Rennstrecke am Scherbelberg eröffnet. Übrigens die erste K-Wagen-Bahn der damaligen DDR. Höhepunkte hier waren später die Austragungen vieler internationaler Rennen mit bis zu 10 000 Zuschauern.

Seinen im Vergleich zu heutigen Zeiten späten Start als Rennfahrer begründet Winzler u. a. damit, dass man damals zuerst einmal eine gewisse materielle Basis brauchte. "Wir haben ja fast alles selber bezahlt", sagt er. Das ganze Material. Zwar gab es hier und da mal eine "Kooperation" mit Betrieben, was den Motor oder dieses oder jenes Rohr betraf. Ansonsten berappten die K-Wagen-Piloten aber alles selbst, Reifen und Verschleißteile des Motors beispielsweise. "Das musste man erstmal bezahlen können." Und dann konnte man langsam anfangen, ans Fahren zu denken.

Und sich den Kopf darüber zerbrechen, wie man aus den 125-er Serienmotoren aus RT- oder MZ-Motorrädern renntaugliche Hochleistungsaggregate züchtet. Für Horst Winzler, von Hause aus Maschinenbauingenieur und von 1959 bis 1992 an der Hochschule Anhalt und ihren Vorläufern u. a. verantwortlich für die gesamte Technik und die Werkstätten, eine Herausforderung, die er meisterte. Nachdem die erste zusammengebastelte Technik nicht das hielt, was sich der junge Mann von ihr versprach, "hatte ich 1964 das Niveau, dass man auch gewinnen konnte - sowohl technisch als auch fahrerisch", sagt er schmunzelnd.

Zuvor hatte er jede Menge Gehirnschmalz in seinen Motor fließen lassen. Horst Rudolph erklärt, wie das heute "Tuning" genannte damalige "Frisieren" eines Motors funktionierte: "Der erste Schritt war, die Drehzahl zu erhöhen. Und ein gewisses Drehmoment für schnellen Anschub brauchten wir auch. Da haben wir zuerst mal die

Kurbelwelle abgedreht. Dann wurden Füllringe in den Motor eingebaut, um die Vorverdichtung zu erhöhen. Und was Horst Winzler dann noch perfektioniert hat, war die Bearbeitung der Kanäle." Und die Auspuffanlage so zu gestalten, dass auch sie zur Leistungssteigerung beitrug, sei eine Wissenschaft für sich gewesen. "Aber damit ging der Motor um einige PS nach oben", sagt Rudolph.

Original hatte so ein Motor 8,5 PS. War er durch die Hände und über die Maschinen der drei K-Wagen-Matadoren gegangen, verfügte er sage und schreibe über bis zu 22 PS. Und die schoben so ein leichtes Gefährt schon ganz enorm an. Den Leistungsnachweis mussten diese Schöpfungen übrigens auf einem selbst entwickelten und gebauten Motorenprüfstand erbringen. Der Nachteil der vielen Kraft aus wenig Hubraum: Sobald man über 17 PS kam, war das Material extremem Verschleiß unterlegen. Will heißen: So ein Motor hielt nicht allzu lange. Stets und ständig waren Teile zu reparieren oder zu ersetzen. Und diese Teile wurden allesamt auch selbst gebaut. Denn: "Geld hatten wir keins dafür", so Horst Rudolph. Also ersetzte man zum Beispiel die Kolbenringe aus Guss selber durch Eigenentwicklungen aus Stahl.

Doch wie alles mal ein Ende hat, so verhielt es sich auch mit dem K-Wagen-Sport. Um 1970 herum schwenkte man auch in der damaligen DDR in Richtung Go-Karts mit den kleineren Rädern, nur nannte man sie weiter K-Wagen (offiziell womöglich, um sich vom Westen zu unterscheiden und abzugrenzen). Horst Rudolph erinnert sich: "Da haben wir die kleinen Räder von westlichen Autos abfotografiert und dann nachgebaut. Wir haben nie etwas gekauft." Dann zeigt er auf die K-Wagen und Karts, die in einem Raum seiner Firma für Gartentechnik im Köthener Gewerbegebiet stehen: "Und mit denen ist das nicht anders."

Womit wir in der Gegenwart angelangt sind, in der Zeit der Historischen K-Wagen-Gruppe Köthen, die unter dem Dach des Oldtimer-Stammtisches Elsnigk agiert und außer den drei genannten noch den Fahrer Uwe Weber (Sohn von Rudi Weber) und den "Schrauber" Detlef Zwanzig als Mitglieder hat. Vor rund drei Jahren war es bereits, da haben sich die drei alten K-Wagen-Hasen gefragt: "Wollen wir einfach nur so abtreten? Oder wollen wir allen zeigen, dass wir es noch können?" Man entschied sich für b. Seither trifft man sich regelmäßig in der Rudolph'schen Werkstatt zur "Bastelstunde" und hat inzwischen schon einige Wagen nachgebaut - wie sie einmal waren (mit großen wie auch mit kleinen Rädern) und einen originalen K-Wagen von 1972 restauriert. "Jede Bremsscheibe, jede Nabe, alle Rahmen wurden von uns selbst hergestellt", erläutert Horst Rudolph.

"Damit wollen wir nun nicht mehr große Rennen fahren", versichert Rudolph. Dafür würde den drei Enthusiasten auch der heute übliche und notwendige Kapitalstock fehlen. Vielmehr wollen die drei an historischen Veranstaltungen teilnehmen, wie demnächst wieder am "Classic Cup" des MC Köthen (15. und 16. August). Dabei wollen sie an die glorreichen Köthener K-Wagen-Zeiten erinnern, als es hier Anfang der 60er Jahre noch 22 bis 26 Fahrer gab. "Da musste man sich allein in Köthen schon durchbeißen, um sich einen Namen zu machen", schmunzelt Horst Rudolph. Und freut sich wie die anderen auf die nächsten flotten Runden in ihren kleinen, schnellen Kisten.