Nach 41 Jahren Inhaber des Bekleidungsgeschäftes in Köthens Schalaunischer Straße geht in den Ruhestand

Köthen/MZ - Es ist anders als gedacht. Wer meint, dass Rainer Germann den Schrank voller Anzüge verschiedener Passformen und in allen nur erdenklichen Farb- und Mustervariationen hat, der irrt. Das sei nicht der Fall, versichert er und verrät lächelnd, er habe sich der „Loddermode“ angepasst. Und so sieht man den fast 77-Jährigen immer auch in Jeans und Sakko im Laden stehen.
Am 30. Juli öffnet er die Türen zu seinem Bekleidungsgeschäft zum letzten Mal. Der gebürtige Leipziger zieht sich zurück, geht in den Ruhestand. Damit endet die Tradition dieses Ladens in der Schaulaunischen Straße 27 in Köthen.
41 Jahre lang führt er das Geschäft, das es seit über 150 Jahren an diesem Standort gibt
41 Jahre lang führt er das Geschäft, das es seit über 150 Jahren an diesem Standort gibt. Ursprünglich werden hier Pelze gefertigt und verkauft. 1865 gründet der Hofkürschnermeister C. G. Patzke den Betrieb. 1907 übernimmt Max Schindler, der das Geschäft 1940 an seinen Sohn Karl Schindler - wie auch der Vater Kürschnermeister von Beruf - übergibt. 1980 steigt schließlich Rainer Germann ein und führt seither den Laden, der sich nach der Wende zum Herrenausstatter entwickeln sollte.
Rainer Germann lernt das Handwerk in einem kleinen Privatbetrieb in Leipzig. Er habe Kürschner werden wollen, weil er es damals schon geliebt habe, auf die Wünsche der Kunden eingehen und sie zufrieden mit einem schmückenden Kleidungsstück nach Hause entlassen zu können.
Rainer Germann ist sich sicher, „es ist nicht verwerflich, einen Pelz zu tragen“
Als junger Mann wechselt er schließlich in die Produktionsgenossenschaft „Elegant“ nach Beucha. Er macht seinen Meister, leitet Bereiche des Betriebes, in dem Pelze industriell gefertigt und in großen Stückzahlen auch ins Ausland verkauft werden. „Das hat Spaß gemacht“, betont er. Und dennoch sei irgendwann der Wunsch gereift, sich selbstständig zu machen.
Allein in Leipzig gibt es seinerzeit über 400 Kürschnereien, erinnert sich Rainer Germann. Die Schönen und Reichen und vor allem die russischen Damen würden ihren Pelz nach wie vor tragen. Dass das hier anders sei, liege vermutlich „an der Einstellung zum Tier“ und oft an der Unwissenheit. Die Skepsis sei „nicht begründet“, erklärt er. „Es ist nicht verwerflich, einen Pelz zu tragen.“
In Köthen konnte Rainer Germann seinen Traum vom eigenen Laden leben
Für ihn ist es ein Glücksfall, über die Kontakte im Kürschnerhandwerk die in Köthen ansässige Familie Schindler kennenzulernen. „Sie haben mich wie ihren Sohn aufgenommen.“ Er fühlt sich angekommen, „es ist alles perfekt gewesen“. In Köthen kann Rainer Germann seinen Traum vom eigenen Laden leben.
Nach der Wende ergänzt er sein Angebot um Lederjacken für Sie und Ihn. Außerdem etabliert er sich mit klassischer Mode als Herrenausstatter. „Ich habe immer auf gute Qualität Wert gelegt. Was billig ist, hält nicht lange.“ Er ist dankbar für seine Zeit in Köthen. Nun will er wieder mehr unternehmen, mit dem Wohnwagen unterwegs sein. Er ist in seine alte Heimat zurückgegangen. Köthen aber behält er in bester Erinnerung. Vor allem wegen seiner Kunden, denen er sehr dankbar für ihre Treue ist.