Geschichte der Napola Geschichte der Napola: Eliteschulen im Dritten Reich hatten auch Verbindung nach Köthen

Köthen - Was haben Bild-Zeitungskolumnist Mainhardt Graf Nayhauß und der ehemalige deutsche Uno-Botschafter Rüdiger von Wechmar gemeinsam? Oder DTSB-Chef Manfred Ewald und Schriftsteller Hellmuth Karasek? Oder Thüringens Landesbischof Werner Leich und der Zeichner und Grafiker Horst Janssen?
Sie alle waren als Kinder Zöglinge einer Nationalpolitischen Erziehungsanstalt, einer Napola, wie die Schulen im Volksmund hießen. Hier sollte nach Adolf Hitlers Vorstellung die Elite des Dritten Reiches herangezogen werden.
Eine dieser Schulen wurde im anhaltischen Ballenstedt aufgebaut - und stand dieser Tage im Mittelpunkt eines Vortrags, den Wolfgang Schilling und Söhnke Streckel vor Mitgliedern des Vereins für Anhaltische Landeskunde (VAL) hielten.
Buch befasst sich mit der Geschichte der Napola in Deutschland
Schilling und Streckel sind - neben Friedhart Knolle und Karl-Heinz Meyer - Mitautoren eines inzwischen in zweiter Auflage erschienenen voluminösen Werkes, das sich mit der Geschichte der Napola in Deutschland befasst und in besonderem Maße mit der Historie des Ballenstedter Ablegers. Wolfgang Schilling aus Blankenburg, Geschichtslehrer auch schon zu DDR-Zeiten, ist sozusagen per Zufall und aus familiären Gründen auf das Thema gestoßen.
Vor 26 Jahren habe er seinen Vater in der Lungenklinik in Ballenstedt besucht und auf einem der letzten Spaziergänge habe ihm der Vater mitgeteilt, als Kind selber Schüler an der Schule gewesen zu sein, die zu DDR-Zeiten Bezirksparteischule der SED war. Was Schilling überraschte, weil sein Vater nie SED-Mitglied war. Nein, bekam er vom Vater zur Antwort, er sei als Junge, als Pimpf, an der Napola gewesen, wenn auch nicht allzu lange.
Seither hat sich Schilling tief in die „bitterernste Thematik“ vergraben und dabei eine Vielzahl an Einsichten, Fakten und Zeitzeugen zur Geschichte der Erziehungsanstalten ans Tageslicht gebracht.
„Die Napola kann auf bereits bestehende Typen von Schulen zurück geführt werden“
Was ihn in der Endkonsequenz zur Erkenntnis gebracht hat: „ Es ist nichts vorbei. Es kann alles wiederkommen.“ Die intensive Beschäftigung mit der Napola, mit deren Protagonisten und Schülern sei nicht als Verständnis oder Verniedlichung zu werten - auch wenn mancher pädagogisch interessante Blickwinkel an den Napola eine Rolle spielte.
„Die Napola kann auf bereits bestehende Typen von Schulen zurück geführt werden“, so Wolfgang Schilling, zum Beispiel die englischen Public Schools, ebenso Schulen mit reformpädagogischen Ansätzen. Aber im Grundsatz ging es Hitler und seinem Bildungsminister Bernhard Rust darum, die Kinder frühzeitig aus ihren Kernfamilien zu lösen und in geschlossenen Anstalten zu künftigen Trägern des Dritten Reiches und seiner Ideologie zu formen - mit einer konsequenten Betonung des militärischen Charakters.
Vorbereitet und verlockt, sich dem harten Alltag an den Internaten zu stellen, wurden die Jungen (Mädchen fanden in den Napola keine Aufnahme) nicht nur durch eine Indoktrination im Jungvolk der Hitlerjugend und durch schulische Beeinflussung im Sinne der Nazi-Ideologie, sondern auch durch sportliche und technische Angebote.
In Köthen existierte von 1936 bis 1940 eine Napobi
Ballenstedt spielt in diesem Netz durchaus keine Nebenrolle: Immerhin entstand hier die erste Napola außerhalb preußischen Reichsgebiets und die erste Napola, die neu gebaut wurde - Vorgängereinrichtungen nutzten bereits vorhandene Schulen wie die Klosterschule Ilfeld, dazu ehemaligen Kadettenanstalten (Plön, Naumburg) oder einstige Staatliche Bildungsanstalten.
Ballenstedt spielt aber auch für Köthen eine besondere Rolle, denn in Köthen existierte von 1936 bis 1940 eine Napobi, eine Nationalpolitische Bildungsanstalt, organisiert als Aufbaugymnasium für Ballenstedt. Zwar attestieren Schilling und Streckel der Geschichte der Napobi Köthen eine nur „dünne Aktenlage“, aber dafür haben die beiden Forscher doch eine ganze Menge an Informationen über die Schule in der Lohmannstraße zusammengetragen.
Mit Hilfe der Stadtarchivarin Monika Knof, die gleichzeitig Chefin der VAL-Regionalgruppe Köthen ist, und mit Hilfe von Walter Meier, einem Jungen aus Rogätz, der mit zwölf Jahren die Aufnahmeprüfung in Köthen bestand, und für das Napola-Buch vielfältige Informationen und rares Bildmaterial beisteuerte.
Die ersten drei Nationalpolitischen Erziehungsanstalten wurden 1933 in Plön, Köslin und Potsdam gegründet. Sie waren als staatliche Einrichtungen Reichserziehungsminister Bernhard Rust unmittelbar unterstellt. Die Napola waren Internatsoberschulen und „Gemeinschaftserziehungsstätten“.
Ihr Besuch führte zur Hochschulreife und war auf die Heranbildung des nationalsozialistischen Führernachwuchses ausgerichtet, wobei Leibesübungen im Zentrum standen. Die offizielle Bezeichnung der Schüler war Jungmann. Bis Kriegsende 1945 wurden insgesamt 43 Napola in Dienst gestellt, geplant waren um die 100.
Der Vortrag hangelte sich nicht so sehr an einem roten chronologischen Faden entlang
Interessant ist nicht zuletzt Meiers Lebensgeschichte nach dem Ende des Dritten Reiches: Der Mann, der 2017 verstarb, wurde als Sportler DDR-bekannt, nahm im Zehnkampf zweimal an Olympischen Spielen teil und wurde mit dem Titel „Verdienter Meister des Sports“ gewürdigt. Dazu hat er mehrere Bücher verfasst.
Der Vortrag, den Streckel und Schilling hielten, hangelte sich nicht so sehr an einem roten chronologischen Faden entlang, sondern orientierte sich vordringlich an dem Fotomaterial, das das Historiker-Paar präsentierte.
Dadurch sprang man ein wenig zwischen Orten, Personen und Ereignissen hin und her - wozu auch die Einwürfe aus dem Publikum beitrugen. Die nicht zuletzt für die anwesenden älteren Vereinsmitglieder von besonderem Interesse waren, die einen Teil der an der Köthener Napobi tätigen Lehrer selbst noch in anderen Schulen erlebt hatten. (mz)
Wer sich mit dem Thema befassen möchte, dem sei das Buch „Napola - Verführte Elite im Harz“ empfohlen. Darin findet sich eine Fülle an Infos, Geschichten, Fotos zu den Einrichtungen in Ballenstedt (mit Köthen), Ilfeld, Schulpforta und Naumburg. Bestellen kann man das 39,90 Euro teure Buch per E-Mail: [email protected] oder über www.napolaimharz.de.
