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Geht Köthen das Finanzamt verloren?

02.11.2006, 17:29

Magdeburg/Köthen/MZ. - Nach MZ-Informationen hat Landesentwicklungsminister Karl-Heinz Daehre (CDU) im Ausschuss auf diese Änderung gedrungen, um die Verluste Bitterfelds infolge der Strukturreformen im Land nicht zu hoch werden zu lassen. Die bisherige Quote von Landesbediensteten auf 1 000 Einwohner würde ohne Finanzamt in Bitterfeld von 27,1 auf 18,7 fallen. Beim Erhalt der Behörde wären es 24,4.

Aus der Landesregierung verlautete, dass die nochmalige Überprüfung der Standort-Entscheidung "ausschließlich raumordnerische" Gründe habe. Eine endgültige Entscheidung sei aber noch nicht getroffen. Diese sei erst möglich, wenn klar ist, in welchem Umfang Bauarbeiten in Bitterfeld zur Aufnahme der Köthener Finanzbeamten notwendig seien.

Die im Oktober verkündete Finanzamts-Überlegung hat im Landkreis Bitterfeld heftige Diskussionen ausgelöst. Auch Bitterfelds Bürgermeister Werner Rauball (SPD) kritisiert aufs Schärfste das von Sachsen-Anhalts Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) vorgelegte Organisationskonzept, nach dem das Finanzamt des neu entstehenden Landkreises Anhalt-Bitterfeld in Köthen etabliert werden soll.

"Dieses Vorgehen missachtet die Ergebnisse der Kreis-Neugliederung", sagte er in einem MZ-Gespräch und bezeichnet das Ganze im Übrigen als "Salami-Taktik": Scheibchenweise werde verkündet, wo die zentral bedeutsamen Einrichtungen künftig ansässig sein sollen. Nach der Entscheidung über den Kreissitz Köthen folgten nun Polizeireviere, Amtsgerichte, Finanzämter. . .

Rauball hatte bereits Beschwerden in Magdeburg eingereicht. Als positive Reaktion sei daraufhin die Mitteilung vom Justizministerium erfolgt, dass das Bitterfelder Amtsgericht bestehen bleibe. "Wir fordern ein Gesamtkonzept, das auch politisch ausgewogen ist", so das Bitterfelder Stadtoberhaupt. "Schließlich gelten wir im Landesentwicklungsplan als Mittelzentrum mit Teilfunktion eines Oberzentrums. Doch wie sollen wir diese Funktion noch erfüllen, wenn uns die Grundlagen dafür genommen werden?"

Rauball sieht selbst das Bestehen von zwei Finanzämtern im künftigen Landkreis Köthen als durchaus realistisch an - zumal es aufgrund der Einwohnerzahlen ohnehin nicht zu Personaleinsparungen kommen werde.

Der Umzug der Finanzamt-Beschäftigten aber würde in vielen Fällen auch mit privaten Umzügen verbunden sein, was für Bitterfeld nicht ohne Auswirkungen auf infrastrukturelle Einrichtungen wie Schulen und Kindergärten bliebe. "Und nicht zuletzt geht uns Kaufkraft verloren, was vor allem die Gewerbetreibenden zu spüren bekommen werden."

Im vorgelegten Konzept sei außerdem davon die Rede, dass "Leerstände landeseigener Liegenschaften" vermieden werden sollen. Fakt sei aber, dass sowohl das ehemalige Finanzamt in der Bitterfelder Bahnhofstraße noch heute ungenutzt ist und auch die Nachnutzung des jetzigen Amtes in der Röhrenstraße fraglich erscheint - ein Neubau übrigens, der mit rund neun Millionen Euro Landesmitteln errichtet und erst 1998 eröffnet wurde.

Die Köthener Landtagsabgeordnete Brigitte Take (CDU) machte sich am Donnerstag in der Landesregierung zu den neuen Informationen kundig. "Finanzminister Bullerjahn will ergebnisoffen verhandeln. Wenn ihn die Bitterfelder überzeugen sollten, könnte er sich aber vorstellen, das Finanzamt dorthin zu geben", teilte Take am Donnerstagnachmittag der MZ mit.

So lange, betonte sie, bleibe es aber bei den bisherigen Festlegungen. Dennoch ist die Landtagsabgeordnete misstrauisch. "Es sollte schon zu denken geben, wenn solche Formulierungen gemacht werden", meinte sie. Für Take steht fest, dass das Finanzamt in Köthen bleiben muss. "Das gehört zu einer Kreisstadt einfach dazu."

Der Köthener Landrat Ulf Schindler (CDU) zeigte sich von den jüngsten Informationen überrascht. "Das Finanzamt Köthen ist eindeutig die wirtschaftlichste Variante", verwies er auf im Vorfeld erfolgte Untersuchungen. Er könne und wolle sich nicht vorstellen, dass bereits getroffene Entscheidungen "jetzt unter emotionalen Aspekten nochmal geändert werden".

Auch der Köthener OB Kurt-Jürgen Zander (SPD) verwies darauf, dass sich das Finanzministerium zum Standort des Finanzamtes bereits "recht eindeutig" geäußert habe. Für ihn entstehe dann unter anderem die Frage, wie das leerstehendes Gebäude, in das das Land erst Millionen Euro investiert hat, nachgenutzt werden könne. Und da auch die Quote von Landes-Bediensteten ins Feld geführt wurde, interessiert Zander, wie es damit in Köthen aussieht. Da lägen ihm keinerlei Zahlen vor.