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Gartensparte Esldorf Gartensparte Esldorf: 20 Parzellen suchen nach neuen Kleingärtnern

Von Steffen Dörre 04.08.2017, 06:50

Köthen - „Wir suchen Familien mit Kindern!“ Wenn Norbert Luther an „seine“ Gartensparte in Elsdorf denkt, dann ist das das Erste, das ihm einfällt.

Dass von den 58 Gärten über 20 leer stehen, macht da durchaus Grund zur Sorge, da muss man dringend was tun. Er tut. Ein Gartenfest organisieren zum Beispiel. Das erste wieder seit mehreren Jahren – am vergangenen Samstagnachmittag.

Auch die leeren Gärten werden auf Vordermann gebracht

„Zusammenhalt schafft sich selten allein – man muss ihn auch fördern“, findet der engagierte Spartenchef, für den in der Elsdorfer Sparte durchaus Familiengeschichte steckt. „Wir haben unseren Garten schon von der Oma übernommen.“

Dass so viele Gärten noch frei sind, obwohl in den letzten Monaten durchaus erfreulicher Zuwachs an Gartenfreunden zu verzeichnen ist, sei zwar bedauerlich, aber „wir bringen sie gerade alle auf Vordermann!“

Nun ist es in Sparten üblich, dass man über den eigenen Garten hinaus auch Stunden für die Sparte leisten muss. Dabei ist ihm klar: „Es muss Spaß machen!“ Das den zumindest die „Macher“ des Sommerfestes hatten, war offensichtlich.

Es gab eine Hüpfburg, die den Kleinsten bis in die Nacht hinein offen stand. Der Deutsche Förderverein für Sanitätswesen, der in der Sparte einen Freundschaftsgarten unterhält, hatte ein großes Zelt nebst Sitzmöglichkeiten und die kleine Gulaschkanone voller Soljanka beigesteuert. Grills glühten, jeder brachte etwas mit, auch Musik war da – nicht laut. Mehrheitlich wollte man sich ja einfach nur nett unterhalten.

70 Jahre alt wird die Elsdorfer Sparte in diesem Jahr

Dass die kleine Sparte sogar richtig Grund zum Feiern hatte, kam erst im Laufe des Abends heraus. „Wie alt sind wir eigentlich?“ „Na auf jeden Fall über 50! Wer bietet mehr?“ Über 60 – oder gar schon 70? Plötzlich tauchte ein Foto von der 60-Jahr-Feier auf – siehe da, das war 2007. Mithin ist man dieses Jahr 70 Jahre alt geworden!

Susan Dolge weiß dann auch sogleich von den Ursprüngen zu erzählen. „Nach dem Krieg bot man hier Flüchtlingen die Möglichkeit zur Selbstversorgung. Das hat mir mein Vater erzählt. Anfang der 50er Jahre gab man die Gärten dann an die Elsdorfer.“

Seither finden Gartenfreunde und Naturliebhaber hier ein kleines Eldorado. „Erschrocken macht, dass der Wert des Gartens heute sich zu wandeln scheint. Ist er nichts mehr wert?“ fragt sich Raymond Schulz ob des Leerstandes, von dem ja nicht nur die Sparte in Elsdorf betroffen ist.

„Viele fahren umher und suchen woanders, was sie hier ganz leicht finden könnten.“ Platz für die Kinder, ein Stück Selbstversorgung. „Ein Garten ist ein Stück Unabhängigkeit, ein Stück Rebellentum, wenn man so will.“

Nachbarschaftshilfe, Solidarität, Zusammengehörigkeit

„Garten ist Bio ohne Siegel“, wirft der Köthener Horst-Peter Lämmler ein, „Garten ist Fitness ohne Studio“, legt Schulz nach, und „Gartenkinder werden weniger krank!“

Das allenthalben beklagte Schwinden des Gemeinsinnes könne in so einer Sparte überwunden werden; hier zählen sie noch etwas, Dinge wie Nachbarschaftshilfe, Solidarität, Zusammengehörigkeit.

„Lebensfreude spart Medizin“, findet der Sanitäter Schulz, der sogar das Gleichnis wagt zwischen der Mitbringparty und dem Abendmahl. Ein Garten – mehr als nur Arbeit? Spätestens, als die Musik aus der Maschine erlosch, ein Akkordeon auftauchte und man miteinander deftig sang – so ganz unorganisiert, und ungeübt und doch gemeinsam, da fiel es schon verdammt schwer, nicht daran zu glauben. (mz)