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Fahrradladen von Frank Czymmek Fahrradladen von Frank Czymmek in Köthen: In der Corona-Krise war die Nachfrage groß

Von Sylke Hermann 19.09.2020, 07:00
Frank Czymmek betreibt seit 18 Jahren in der Magdeburger Straße in Köthen die Albatros-Fahrradmanufaktur. Auf circa 160 Quadratmeter Fläche bietet er alles an, was Pedalritter so benötigen. Die E-Bike-Nachfrage steigt stetig, sagt der Experte. Ein Trend, der sich in der Krise verstärkt habe.
Frank Czymmek betreibt seit 18 Jahren in der Magdeburger Straße in Köthen die Albatros-Fahrradmanufaktur. Auf circa 160 Quadratmeter Fläche bietet er alles an, was Pedalritter so benötigen. Die E-Bike-Nachfrage steigt stetig, sagt der Experte. Ein Trend, der sich in der Krise verstärkt habe. Ute Nicklisch

Köthen - Frank Czymmek kennt sie alle. Jede einzelne Ausrede, die dazu taugen könnte, dass man das Rad besser stehen lässt. Zu den Klassikern gehören neben der knapp bemessen Zeit schier unüberwindbare Berge und dieser beißende Wind, der - wie könnte es anders sein - immer von vorne kommt.

Am Ende käme man auf Arbeit zum Beispiel nicht nur erschöpft, sondern zu allem Überfluss auch noch vollkommen durchgeschwitzt an und sei in diesem Zustand auf gar keinen Fall in der Verfassung, sich Kollegen oder Kunden zu nähern.

Der Fahrradexperte führt diese Diskussion immer wieder gern. Kein Wunder. In seiner Albatros-Fahrradmanufaktur in Köthen hat er auf circa 160 Quadratmeter Fläche eine Menge guter Gründe vorzuweisen, mit denen er alle Ausreden vom Tisch wischen kann.

„Die E-Bike-Nachfrage ist mittlerweile in jeder Altersgruppe deutlich gestiegen“, erklärt Frank Czymmek. Und das hat nicht nur etwas mit Corona zu tun. „Der Trend ist seit Jahren sichtbar, aber hat sich in der Krise noch einmal verstärkt.“

Als der 52-Jährige den Saisonstart im Frühjahr kaum erwarten kann, ist seine Freude von jetzt auf gleich der großen Sorge gewichen, was da kommen werde. Was macht die Krise mit kleinen Betrieben, wie er ihn seit 18 Jahren in der Magdeburger Straße in Köthen führt? Das fragt er sich natürlich.

 „Das Fahrrad ist nicht mehr nur Freizeitgerät, es ist ein Hauptverkehrsmittel“

Vor allem staunt er, wie schnell man tatsächlich und noch dazu unverschuldet in solch eine unternehmerische Misere geraten kann. Doch Frank Czymmek verfällt, wie er sagt, nicht in Panik, sondern versucht, die Umstände rational zu betrachten: „Was habe ich eingekauft? Was muss noch bezahlt werden?“ Er hat es geschafft, sich nicht nachhaltig verunsichern zu lassen.

Mag sein, dass der vor Jahren eingesetzte Fahrradboom seine pragmatische Sicht begünstigt. „Das Fahrrad ist längst nicht mehr nur ein Freizeitgerät, es ist ein Hauptverkehrsmittel geworden“, beobachtet er. Das merkt er nicht zuletzt bei der Reparaturannahme, die er auch in der Krise bei geschlossenem Laden aufrechthalten kann. „Die Kunden erzählten uns dann, dass sie ihr Rad aber jeden Tag brauchen und eigentlich gar nicht entbehren können.“

Die Fahrräder der neuen Generation, davon ist Experte Frank Czymmek überzeugt, sind aber auch dafür konzipiert, „immer mehr das Freizeitgeschehen zu bestimmen“. In Form von E-Bikes, aber auch mit farbenfrohen, gefälligen, schicken Modellen ohne Unterstützung. Hier habe Corona seiner Branche eine große Nachfrage beschert, was auch in seinem Köthener Geschäft ersichtlich sei. „Die Leute sind nicht weggefahren, sie sind Rad gefahren“, fügt er hinzu. Und haben in ihr neues Hobby kräftig investiert.

Mehr denn je ist das Fahrrad in diesem Jahr mit der Virus-Pandemie zu einem wichtigen Faktor in der Urlaubsplanung geworden. Das Fahrrad gehöre mittlerweile mit ins Gepäck. Hinzu kommen die Ansprüche der Nutzer an die Ausstattung - bis hin zur Bekleidung.

Wünsche der Kunden sind vielseitig

„Ich will nicht nass werden, aber ich will in meinen Sachen auch nicht schwitzen“, kennt der Fachhändler, der vor allem „Diamant“-Räder vertreibt, die Wünsche seiner Kunden. Auch hier habe sich eine Menge getan. Bis dahin, dass es mittlerweile Fahrrad-Airbags gibt, die sich bei einem Sturz in Sekundenschnelle aufblasen und um den Kopf legen, „wie eine Art Trockenhaube“, vergleicht der Experte. Ein Argument für mehr Sicherheit, aber auch für diejenigen, die mit dem Fahrradhelm aus optischen Erwägungen so ihre Nöte haben. Eine Woche, bevor das Corona-Virus im März den Geschäftsmann zwingt, seinen Laden zu schließen, sind die Fahrrad-Airbags bei ihm eingetroffen. Theoretisch ist das der perfekte Zeitpunkt. Im Frühjahr beginnt die Fahrradsaison. Doch Frank Czymmek kann die neue Sicherheit nicht verkaufen. „Da war ich sprachlos“, erinnert er sich.

Doch die Lage entspannt sich - und bis zum Ende des Sommers habe er die Umsatzeinbußen sogar schon wieder einigermaßen wettmachen können, berichtet er. Er würde sogar sagen, dass 2020 letztlich von den Zahlen her keine großen Unterschiede zu den Vorjahren aufweist. Denn: „Die Lage hat sich normalisiert.“ Und er sieht auch: „Jetzt herrscht eine gewisse Euphorie.“ Die Leute haben Spaß am Fahrradfahren. Das beflügelt auch ihn als Händler, bestätigt er. Er freut sich auf die nächste Saison.

Fahrrad wird mehr geschätzt 

Vergangene Woche besucht er seine erste virtuelle Fahrradmesse. „Das war schon komisch.“ Er kann nichts aus der Nähe betrachten, nichts anfassen, nicht spontan nachfragen.

Aber er hat sich entschieden und die neuen Modelle geordert. Dass er womöglich zurückhaltender bestellt, reservierter ist, weil er jetzt weiß, wie schnell sich die Umstände ändern können, verneint er. Er ist zuversichtlich. „Natürlich“, sagt er, „sollte man im Hinterkopf haben und sich darauf einstellen, dass so eine Krise auch zum wirtschaftlichen Totalausfall führen kann.“

Frank Czymmek aber geht stark davon aus, dass sich der Trend der vergangenen Jahre fortsetzt - ob beim E-Bike oder beim normalen Tourenrad. Die Prognose also sieht gut aus. Die Menschen lernen jetzt das Fahrrad mehr und mehr schätzen. Warum auch immer. Vielleicht, weil sie einfach Freude daran haben. Vielleicht aber auch, weil es die Ehefrau will - oder der Arzt das Radfahren empfiehlt. Frank Czymmek kennt sie alle. Die Gründe, endlich aufs Rad umzusteigen. (mz)