"Erholung" feiert Jubiläum "Erholung" feiert Jubiläum: Merziener Gaststätte besteht seit 150 Jahren

Merzien - Das ist ein Rätsel für Heimatforscher. Gibt es in Köthen und Umgebung eine Firma, die seit 150 Jahren ununterbrochen existiert und in dieser Zeit immer im Besitz einer einzigen Familie geblieben ist?
In Merzien jedenfalls gibt es so etwas. Dort feiert die Gaststätte „Erholung“ am Wochenende ihren 150. Geburtstag, mit dem Kirschfest und dem Oldtimertreffen - beides Veranstaltungen, die lange genug existieren, um auch das Markenzeichen „traditionell“ für sich zu beanspruchen.
Hinter all dem stehen Achim und Dietlind Wienecke, die vierte Gastronomen-Generation seit der Eröffnung der Gastlichkeit, im Jahr 1868. Und es hat schon etwas sehr symbolhaftes, wen man weiß, dass Gründermutter Rosine Wienecke ihre Gastwirtschaft ausgerechnet auf den Grundmauern einer abgebrannten Scheune errichtete. Bis heute ist das ein gutes Fundament für das Familienunternehmen geblieben, das inzwischen auch schon fast 34 Jahre lang von Dietlind und Achim Wienecke geführt wird.
Vom Autoschlosser zum Gaststättenfacharbeiter
Dabei hatte der jetzige Chef der „Erholung“ beruflich ganz andere Ambitionen, als am Zapfhahn zu stehen. „Ich bin von Beruf eigentlich Autoschlosser“, sagt Wienecke, „habe im Kraftverkehr gelernt und später bei Reichert in Köthen gearbeitet. Die Gaststätte sollte eigentlich durch meine Schwester fortgeführt werden.“
Die aber das nicht wollte, so dass der Autofachmann irgendwann doch den Wagenheber mit dem Steckzeug vertauschte und 1984 seine Mutter Elli hinter dem Tresen ablöste. Was freilich für ihn damit verbunden war, einen neuen Beruf lernen zu müssen, nämlich Gaststättenfacharbeiter samt Binnenhandelsausbildung und Gaststättenleiter.
Da war er schon seit drei Jahren mit der Verkäuferin Dietlind aus Haldensleben verheiratet. Und beide entwickelten viel Initiative, um die Gaststätte mit neuem Geist zu erfüllen. Terrasse und Biergarten entstanden, verstärkt wurden Veranstaltungen durchgeführt und an die Discos, die damals in der „Erholung“ abliefen, erinnert sich so mancher Gast noch heute.
1989 wurde die Gaststätte privatisiert und modernisiert
1989 wurde die Gaststätte privatisiert. Wo Wienecke drin war, stand jetzt auch wieder Wienecke dran - und nicht mehr Konsum, für den man jahrelang das Haus in Kommission geführt hatte. Die Gaststätte wurde modernisiert, Ein Lebensmittelladen wurde eröffnet, der 20 Jahre lang gegen die Konkurrenz der Supermärkte und Discounter durchhielt. Gästezimmer entstanden, das Außer-Haus-Geschäft wurde auf- und ausgebaut. „Die Gaststätte allein hätte sich schon seit langer Zeit nicht mehr gelohnt“, schätzt Achim Wienecke ein.
Da sich die „Erholung“ aber immer wieder neu erfunden hat, gibt es sie noch. In solidem Zustand - so solide, dass man die fünfte Generation im Blick hat: Sohn Timo kümmert sich ums Catering und wird in absehbarer Zeit auch die „Erholung“ in Gänze übernehmen.
Und Sohn Sven, der das macht, was der Vater machen wollte, nämlich als Autoschlosser arbeiten, will sich in Merzien selbständig machen. Und trägt schon heute auch zum Gedeihen der Gaststätte bei: Er betreut das Oldtimertreffen, das sich längst zu einem Anziehungspunkt entwickelt hat, wenn an der „Erholung“ zum Sommerfest gerufen wird. (mz)
Die Gaststätte „Erholung“ existiert seit 1868 in Merzien, über viele Jahrzehnte verbunden mit einer kleinen Landwirtschaft. Erweitert wurde der Gasthof erstmalig 1911, wobei u.a. ein Vereinszimmer entstand. Im Jahr 1924 wurde der Familienbetrieb durch Paul Wienecke um eine Fleischerei erweitert. Schlachthaus und Kolonialwarenladen entstanden.
1949 kam die dritte Generation ans Ruder. Kurt Wienecke übernahm das Geschäft in schwerer Zeit . Schon die Beschaffung der Waren war eine spezielle Herausforderung; der Schlachtbetrieb wurde mit der Einführung der Lebensmittelmarken eingestellt. 1952 wurde die Laden an die HO verpachtet, 1964/65 wurde der jetzige Gasthof mit Saal gekauft, wofür im Gegenzug der landwirtschaftliche Betrieb an die LPG „John Schehr“ abgegeben wurde. Die Auswirkungen der Planwirtschaft führten dazu, dass 1968 Wieneckes Kommissionshändler des Konsums wurden - was erst ein Ende nahm, als die Gaststätte 1989 reprivatisiert wurde.
In Fortsetzung der Veranstaltungsaktivitäten der 80er Jahre gibt es seit langer Zeit in der „Erholung“ alljährlich ein Sommerfest. Es findet in diesem Jahr am 30. Juni ab 18 Uhr statt. Besucher können hier einen gemütlichen Abend mit einem TV-Star, einem Überraschungast und dem DJ-Team Oiltron erleben. Am Tag darauf wird zum inzwischen 17. Kirschfest und zum 14. Oldtimertreffen eingeladen. Zu Gast ist TV-Star Peter Ludolf. 9.30 Uhr beginnt die Präsentation der Fahrzeuge, die sich um 11 Uhr auf eine Ausfahrt nach Köthen begeben. Ab 15 Uhr ist Siegerehrung und um 16 Uhr wird das WM-Achtelfinale Spanien - Rußland live übertragen.