Nach 51 Jahren Ende von „City Floristik“: Köthener Blumenhändlerin Gudrun Hartge ist jetzt im Ruhestand
Mit 67 Jahren ist es für die Blumenhändlerin an der Zeit, sich Zeit zu nehmen: für die Familie und für sich selbst.

Köthen/MZ - Sie hat 51 Jahre gearbeitet – und plötzlich war Schluss. „Gar nicht so einfach“, sagt Gudrun Hartge. Am 23. Dezember hat sie die Türen zu ihrem Blumenladen in der Köthener Fußgängerzone abgeschlossen. Für immer. Nun ist sie tatsächlich im Ruhestand und brauchte erst einmal etwas Abstand und vor allem Zeit, sich zu finden. „Was will ich eigentlich?“ Genau kennt sie die Antwort noch nicht.
Gudrun Hartge ist der Abschied alles andere als leicht gefallen. Sie liebt Blumen. Sie hatte immer Blumen um sich. „Blumen sind meine Leidenschaft.“ Doch mit 67 wollte sie etwas kürzer treten und sich wirklich einmal mehr der Familie widmen. Viel zu oft fehlte dafür im Beruf die Zeit. Sie hat eine Tochter in Osternienburg, die sie in Zukunft etwas mehr unterstützen will. Der Sohn lebt mit seiner Familie in Österreich. Zeit für ihre drei Enkelkinder zu haben, darauf freut sie sich schon.
In Elsnigk fing sie mit 16 eine Lehre in einer großen Gärtnerei an
Sie ist mit drei Geschwistern auf einem Dorf groß geworden. Die Eltern hatten ein großes Gehöft mit Garten. Sie erinnert sich, dass sie schon als Kind gern draußen gewesen ist und Blumen gepflückt hat, obwohl das ihrem Opa gar nicht gefallen hat; sie solle das lassen, habe er immer gesagt. Vermutlich wegen der Bienen. „Ich fand’s schön“, lacht sie.
In Elsnigk fing sie mit 16 eine Lehre in einer großen Gärtnerei an, die zur LPG gehörte. Über 15 Jahre blieb sie dort. Nachdem sie ihren Gärtnermeister gemacht hatte auch in leitender Funktion. Anschließend arbeitete sie in Osternienburg. Doch irgendetwas fehlte immer. Später wusste sie, was es war: Sie wollte ihren eigenen Laden, ihren eigenen Stil umsetzen.
Gudrun Hartge hatte in ihrem kleinen Laden immer gut zu tun
Im Blumenpavillon am Köthener Bahnhof, den sie nach der Wende gemeinsam mit einem Kollegen übernommen hatte, fühlte sie sich richtig wohl und blühte auf. „Das war meine Welt.“ Etwa zehn Jahre später trennten sich ihre beruflichen Wege, befreundet sind sie noch immer. Gudrun Hartge zog mit ihrem Blumenladen in die Ritterstraße, später in die Fußgängerzone, weil da „doch ein bisschen mehr Bewegung“ gewesen sei. „Es war die richtige Entscheidung.“ Die beste.
Sie hatte in ihrem kleinen Laden immer gut zu tun. Zehn-Stunden-Tage waren keine Seltenheit. Es war stressig, „aber ich habe es sehr gemocht, selbstständig zu sein und mit meinen Kunden zu schwatzen“. Typisch für die frisch gebackene Pensionärin: ihre direkte, unverblümte Art. „Ja, aber so bin ich.“
Der Laden in der Nähe des Kugelbrunnens ist schon lange leer geräumt
Ehrlichkeit war ihr nicht zuletzt im Umgang mit ihren Kunden und Geschäftspartnern, den sie herzlich danke für die vielen gemeinsamen Jahre sagt, immer wichtig. Wer binnen zehn Minuten zwei super Sträuße haben wollte, musste damit rechnen, dass das nicht geht. „Wollen sie Qualität oder Strumpelsträuße“, fragte die Inhaberin dann schon mal etwas spitz nach. „Ich wollte, dass meine Kunden zufrieden sind.“
Der Laden in der Nähe des Kugelbrunnens ist schon lange leer geräumt, auch das Schild „City Floristik“ entfernt. Ein bisschen Wehmut, gesteht die Blumenliebhaberin, sei schon dabei. Aber jetzt habe sie eben einfach mehr Zeit: für Kinder und Enkel, ihren Mann und vor allem für sich selbst.