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Ein Abschied von Köthen

Von SUSANNE WEIHMANN 09.03.2009, 17:23

KÖTHEN/MZ. - Die Regale hat sie von zu Hause mitgebracht. "Mit Bescheidenheit kann man schon einiges erreichen", sagt Martha Schütte, die in den letzten Jahren im Hahnemann-Haus eine homöopathische Praxis betrieben hat. An diesem Donnerstag hat die 82-Jährige ihren letzten Arbeitstag. In diesem Alter, findet sie, könne man langsam aufhören. Außerdem: "Die Praxis steht, und ich habe einen Nachfolger gefunden."

Sie muss es wissen, dass man mit bescheidenen Mitteln einiges erreichen kann, denn die gebürtige Sauerländerin hat nicht erst einmal in ihrem Leben bei Null angefangen, als sie vor vier Jahren nach Köthen kam, um im Hahnemann-Haus in der Wallstraße eine homöopathische Praxis zu eröffnen. "Köthen ist zum Zentrum der Homöopathie geworden. Nur ein praktizierender Arzt für Homöopathie fehlte noch", blickt sie zurück. Dr. Karl-Heinz Gebhardt, Vorsitzender des Fördervereins für Homöopathie / Hahnemann-Haus-Gesellschaft, hatte sie daher gefragt - und Martha Schütte sagte zu. In dem Haus zu leben und zu praktizieren, in dem Samuel Hahnemann wirkte, war für sie reizvoll. Zuvor hatte die Medizinerin bereits einmal "Entwicklungshilfe" geleistet, direkt nach der Wende in Rostock. "Homöopathie war ja in der DDR nicht verboten, sie wurde nur nicht angeboten", weiß die Ärztin. Damals ist sie einmal im Monat aus ihrer Heimat Linz am Rhein in die rund 650 Kilometer entfernte Hansestadt gefahren, um hier der Homöopathie auf die Sprünge zu helfen.

"Wenn mich etwas begeistert, dann mache ich es auch", sagt sie. In diesem Punkt ist sie alles andere als bescheiden. So war es, als sie mit 40 Jahren begann, sich für die Homöopathie zu interessieren. Da seien ihre Kinder auch mal zu kurz gekommen, gibt die fünffache Mutter zu. Sie hat Kongresse und Fortbildungen besucht, um die Zusatzbezeichnung Homöopath zu bekommen.

Nach dem Abitur 1946 hatte die Tochter eines Chirurgen, die einen Großteil ihrer Kindheit in München verbrachte, in Mainz und Düsseldorf Medizin studiert, später in Kinderkliniken in Mannheim, Dortmund, Bonn und Remagen gearbeitet und sich 1975 als Ärztin in Oberwinter niedergelassen. Durch eine eigene Krankengeschichte, Martha Schütte ist Rheumatikerin, ist sie auf die alternative Heilmethode aufmerksam geworden. Die Ärzte in der Klinik konnten ihr nicht helfen, aber sie fand Hilfe in der Homöopathie. "Zuvor hatte ich von Homöopathie noch nie etwas gehört", erzählt die Seniorin. Gerd Witte in Bonn habe den Wirkstoff gefunden, mit dem die Ursache ihres Leidens auskuriert werden konnte: "Similia Similibus Currentur - Ähnliches möge mit Ähnlichem geheilt werden", erklärt Dr. Schütte den Grundsatz der Homöopathie.

Seither hat sie keine Beschwerden mehr. Trotzdem hat sie sich nicht von der Schulmedizin abgewendet. Sie hat weiter als Allgemeinmedizinerin praktiziert, aber genauso hat sie in der Homöopathie nach Mitteln gesucht, wenn sie mit der Schulmedizin nicht weiterkam. Sie habe immer abgewogen, welches Mittel besser ist.

Als sie vor vier Jahren nach Köthen kam, seien zuerst die Mitarbeiter der Stadt zu ihr in die Behandlung gekommen und haben die Homöopathie bekannt gemacht. Auch Vorträge, Veröffentlichungen in der Zeitung und das Sommerfest haben dazu beigetragen. "Wird der Erste gesund, spricht es sich herum", sind ihre Erfahrungen. Außerdem hat die Homöopathin Vorträge gehalten, Schulungen organisiert und Kontakte zur katholischen Kirchengemeinde und zum Lutze-Hahnemann-Verein aufgebaut. Köthen verlässt sie daher "mit einem lachenden und einem weinenden Auge". Hier hat sie sich wohl gefühlt, weil sie mit den Menschen gut klar gekommen ist, die pünktlich und korrekt waren - sie kann sich an keine unbezahlte Rechnung erinnern, und auch aus einem ganz profanen Grund. "Weil das Land hier so flach ist", erklärt die Seniorin. Ihre Heimat Linz ist von Bergen umgeben, was das Laufen und Rad fahren nicht gerade leicht macht.

Künftig wird sie ihre Tochter, die mit ihren drei Kindern in der Nähe wohnt, und ihren Sohn, der mit seinen sechs Kindern auf der anderen Rheinseite zu Hause ist, vertreten. Denn die Hände in den Schoß legen, ist auch mit 82 Jahren ihre Sache nicht. "Ich muss jeden Tag etwas machen. Es geht nicht, dass man mit Nichtstun alt wird." Daher freut sie sich auf ihren Garten, für den sie endlich Zeit haben wird. Wer den Anspruch habe, Krankheiten mit Naturheilmitteln zu heilen, sollte eine "Tendenz zur Natur haben". "Ich freue ich mich primär auf die Blumen in meinem Garten", sagt Martha Schütte. Gemüse und Obst will sie ebenfalls anbauen.

Dass sie nicht noch einen Monat in Köthen dran hängt, wenn nämlich ihr Schwiegersohn aus dem Urlaub kommt und die Praxis übernimmt, hat unmittelbar mit dem Garten zu tun. "Ich kann nicht länger warten. Der Garten schreit", sagt sie.

Christoph Laurentius wird die Praxis offiziell am 30. April wiedereröffnen. Vom 16. März bis 1. April und ab dem 22. April ist er unter Telefon 03496 / 40 29 35, 030 / 692 57 34 oder 0179 / 921 14 98 erreichbar.