Der Landkreis schrumpft Die Bevölkerungszahl in Anhalt-Bitterfeld geht zurück - schneller als im Rest des Landes
Wo der Schwund besonders stark ist und aus welchen Gründen.

Köthen/Bitterfeld/MZ - Die Bevölkerung Anhalt-Bitterfelds ist in den ersten sechs Monaten des Jahres 2021 schneller geschrumpft als die jedes anderen Landkreises in Sachsen-Anhalt. Um 0,63 Prozent ging die Anzahl von Menschen mit Haupt- oder alleinigem Wohnsitz in Anhalt-Bitterfeld zurück. Das geht aus einem Bericht des Statistischen Landesamts hervor und entspricht einem Rückgang von 994 Einwohnerinnen und Einwohnern. Nur die kreisfreie Stadt Dessau-Roßlau legte eine noch rasantere Talfahrt hin; um 0,69 Prozent schrumpfte deren Bevölkerung.
Treiber Demografie
Mit einer schrumpfenden Bevölkerung sind Anhalt-Bitterfeld und Dessau-Roßlau nicht allein. Die Anzahl der Einwohnerinnen und Einwohner ging laut Statistischem Landesamt in ganz Sachsen-Anhalt im ersten Halbjahr 2021 um rund 0,37 Prozent zurück. Kein einziger Landkreis und keine kreisfreie Stadt verzeichnete einen positiven Saldo – obwohl die Anzahl der Zuzüge jene der Wegzüge übertraf: Während 23.575 Menschen nach Sachsen-Anhalt zogen, verließen 20.148 Personen das Land. Es ergäbe sich also ein Plus von 3.427 neuen Einwohnerinnen und Einwohnern.
Wäre da nicht die Demografie. Denn auf 19.329 Gestorbene kamen nur 7.775 Lebendgeborene. Dieses Minus von 11.554 Menschen machte das Plus durch Wanderungsbewegungen zunichte. Sodass die Landesbevölkerung um 8.127 Personen schrumpfte.
Auch in Anhalt-Bitterfeld erwies sich die Summe der Sterbefälle nach Abzug der im Landkreis geborenen Kinder als alleiniger Grund für den Bevölkerungsrückgang. Mit 1.536 gegenüber 525 gab es fast dreimal so viele Todesfälle wie Geburten. Ohne dieses Minus von 1.011 Personen wäre der Landkreis sogar gewachsen, betrug die Anzahl der Hergezogenen mit 2.228 doch immerhin 20 Personen mehr als die der Fortgezogenen – das waren im ersten Halbjahr 2.208 Menschen.
Keine Gemeinde wächst
Geht man vom Landkreis eine Ebene tiefer und vergleicht die Gemeinden in Anhalt-Bitterfeld, zeigt sich ein ähnliches Bild wie beim Vergleich der Landkreise. Keine der zehn betrachteten Gemeinden konnte einen positiven Saldo verzeichnen. Gleichwohl unterschieden sich die Gemeinden im Tempo des Rückgangs sehr deutlich. Mit minus 1,05 beziehungsweise minus 0,92 Prozent schrumpften Bitterfeld-Wolfen und Köthen am schnellsten, während Zerbst und Raguhn-Jeßnitz mit 0,25 und 0,17 Prozent Rückgang fast stagnierten.

Bei diesen erheblichen Unterschieden greift der bloße Verweis auf die Demografie allerdings zurück. Denn Bitterfeld-Wolfen und Köthen hatten auch aufgrund von Wanderungsbewegungen erhebliche Verluste zu verzeichnen. Laut Statistischem Landesamt verließen 881 Menschen Bitterfeld-Wolfen im ersten Halbjahr 2021, während 796 Menschen dazukamen. Ein ähnliches Bild ergibt sich für Köthen, dem 598 Menschen den Rücken kehrten, während 556 neu dazukamen.
„Menschen haben immer Familien- und Arbeitsbiografien, individuelle Motive also, einer Stadt den Rücken zu kehren oder in eine Stadt zu ziehen“, kommentiert Detmar Oppenkowski, Pressesprecher der Stadt Bitterfeld-Wolfen, den Bericht. So habe Bitterfeld-Wolfen im dritten Quartal 2021 bei 604 Zu- und 546 Wegzügen einen positiven Wanderungssaldo gehabt. Die Stadt sei „für die Region eine der Lokomotiven, die die Wirtschaft antreiben“ und könne durch „sehr gute Kita- und Schulangebote“ punkten. Nichtsdestotrotz musste Bitterfeld-Wolfen auch im Jahr 2020 den größten Bevölkerungsrückgang im Landkreis aufgrund von Fortzügen verzeichnen. 1.956 Menschen verließen laut Statistischem Landesamt die Stadt, 1.801, also 155 weniger, kamen neu hinzu.
Rückgang auch in Vorjahren
Bernd Hauschild, Oberbürgermeister von Köthen, hält den Bericht für „eine Momentaufnahme“. Man müsse „die Situation der Studenten betrachten“; so fielen ins erste Halbjahr das Semesterende und die anhaltende Coronapandemie. Deshalb solle man einen längeren Zeitraum betrachten. Allerdings fragt sich, wie lang dieser bemessen sein sollte. Denn auch für 2019 und 2020 weist das Statistische Landesamt für Köthen Bevölkerungseinbußen aufgrund von Abwanderung aus. 2020 übertraf die Anzahl der Fortzüge jene der Zuzüge um 81, 2019 verlor die Stadt so 61 Einwohnerinnen und Einwohner.
Profitieren konnten hingegen Zerbst und Raguhn-Jeßnitz. Während Zerbst im ersten Halbjahr 2021 bei 489 Zuzügen 445 Wegzüge verzeichnete, kamen 183 Menschen neu nach Raguhn-Jeßnitz bei 147 Wegzügen. Dennoch hält es Bernd Marbach, Bürgermeister von Raguhn-Jeßnitz, für verfrüht, „daraus einen positiven Trend abzuleiten.“ Andreas Dittmann, Bürgermeister von Zerbst, erkennt in seiner Stadt hingegen „eine anhaltende Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt.“ Zudem habe „die Pandemieerfahrung das Leben außerhalb von Ballungszentren wieder interessant gemacht.“