Der Bärtige stieg mitten im Forst zu
AKEN/KÖTHEN/MZ. - Der Bärtige war zuvor per Sonderzug aus Aken im Trebbichauer Forst abgeholt und in die Bachstadt gebracht worden.
"Deutsche Reichsbahn, Bahnhof Aken (Elbe), 4372 Aken (Elbe), Bahnhofstraße 33". So war auf der Pappfahrkarte zu lesen, mit der man am Samstag in den exklusiven Genuss kommen konnte, nicht nur mit einem Sonderzug die Strecke Aken - Köthen zu befahren, sondern obendrein den Weihnachtsmann buchstäblich von "drauß' im Walde" abzuholen.
Der Zug um 13.15 ins Elbestädtchen: festlich geschmückt. An Bord: die Macher der Idee, die Akener Eisenbahnfreunde, etliche Märchenfiguren wie Rentier Rudolf mit seinem Schneeflöckchen, vorwiegend sehr junge Fahrgäste und Ulfs "klitze"-kleine Blasmusik aus Lödderitz, die die Passagiere mit weihnachtlichen Klängen erfreute. Auch Engel und Schneemann waren mit an Bord, ebenso wie Alexa Huhnholz als Weihnachtshäschen.
Um 13.30 Uhr traf der Sonderzug auf dem Akener Bahnhof ein. Zehn Minuten Zeit, um die zahlreich wartenden Akener einsteigen zu lassen. Der Lokführer Andreas Lamprecht steuerte nicht nur den Sonderzug, sondern vor fast genau zwei Jahren auch den letzten Regelzug nach Aken. "Es ist schön, wieder einmal einen Personenzug über diese Strecke zu fahren", bekannte er. Die Akener Bahn feiert nächstes Jahr 120 Jahre Streckenjubiläum - und wird sie doch auch zwei Jahre nach Einstellung des Personenverkehrs von nicht wenigen schmerzlich vermisst. Nicht nur von Ines Löwe, die mit ihren Kindern Friedrich und Ludwig mitfuhr und im Zug Glühwein und Kinderpunsch anbot: "Ich bin für den Regelverkehr! Die Busse sind teilweise eine einzige Katastrophe." Auch Stephanie und Christian König, die mit ihrer kleinen Sina im Sonderzug waren, finden es "doof, dass der Zug nicht mehr fährt. So müssen wir öfter zu Hause bleiben."
Die Eisenbahnfreunde hatten keine Mühe, alle Fahrkarten für den Zug loszuwerden: "Eigentlich hätte der Zug doppelt so lang sein können!" Das hingegen wäre schwierig geworden für den Weihnachtsmann, der planmäßig an einem Bahnübergang mitten im Trebbichauer Forst aufgesammelt wurde und sich sofort um die vielen kleinen Fahrgäste kümmerte. Geschenke verteilen, Gedichten lauschen - das kostet schon Zeit; gut, dass die Bahn nur noch mit 15 Sachen dahinbummelte, um den Weihnachtsfans auch genug Zeit zu verschaffen.
Die Fahrgäste des Personenzuges aus Bernburg gegenüber auf Gleis vier in Köthen staunten nicht schlecht über den Andrang auf Bahnsteig Eins, als man den einfahrenden Sonderzug aus Aken jubelnd begrüßte und der Weihnachtsmann mit seinem Gefolge aussteigen konnte.
Vor dem Bahnhof wartete bereits der mehr als 100-köpfige Märchenumzug, der in diesem Jahr ganz im Zeichen von Arielle, der kleinen Meerjungfrau stand. Das "Spatzennest" mit Schneewittchen und den sieben Zwergen folgten dem Rentier Rudolf auf dem Fuße, Rondo la kulturo mit Weihnachtsfee und Wichteln gingen der Meerentstiegenen und der Theatergruppe Märchenhaft voraus.
Im Gefolge hatte sie die Schöne und das Biest, die Prinzessin auf der Erbse, die goldene Gans, Aladin mit seiner Wunderlampe, den Teufel mit den drei Goldenen Haaren, das Damenquartett aus Sterntaler, Dornröschen, Aschenputtel und Rapunzel. Froschkönig und Schneekönigin reihten sich ein mit Frau Holle nebst Hänsel und Gretel, Schneeweißchen und Rosenrot, Rotkäppchen, den Bremer Stadtmusikanten, Rumpelstilzchen, dem Wolf und den sieben Geißlein, dem gestiefelten Kater und schließlich dem Weihnachtsmann, dem Schneemann und dem Weihnachtsengel alias Julia Kellermann.
Auch auf dem Weihnachtsmarkt herrschte buntes Gedränge. Überall hellblaue Weihnachtstassen mit pustenden Gestalten - von Steffen Rogge ersonnen - und somit gleich passend zu dem, was hernach die Aufgabe aller Weihnachtsmarktbesucher war: das traditionelle Anblasen des Weihnachtsbaumes. Nach dem dritten Male klappte es dann auch.
"So was haben wir bei uns nicht", staunten Christian und Christina Schönfeld aus Schönebeck, die eigentlich Verwandte besuchen und nur mal auf dem Weihnachtsmarkt vorbei schauen wollten, und auch Silvia Behrendt bemerkte anerkennend: "Vor allem darum, dass wir hier in Köthen immer den Weihnachtsmann vom Bahnhof abholen, können uns viele Städte beneiden."