DDR-Straßennamen DDR-Straßennamen: Straße der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft überlebt in Merzien

Köthen - Und jetzt ist es auch noch neblig, hier in Merzien, am Rande Köthens. Der Angelteich bleibt an diesem Morgen ungenutzt, das gilt auch für den Spielplatz. Am Gasthaus „Zur Erholung“ hängt ein Coca-Cola-Schild aus den Neunzigern: geschlossen. Dafür wirbt ein Aushang für „Halloween in Merzien“ in der kommenden Woche. Die Schalmeienkapelle Köthen und die Feuerwehr haben sich angesagt.
Wie kommt man an diesen Ort der Ruhe, wo sich Einfamilien-Häuser im Nebel aneinanderreihen? Es gibt diese eine Straße, auf die sie ein bisschen stolz sind in Merzien. Die Straße der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft, kurz DSF, führt von Anfang bis Ende durch den Ort. „Stört doch keinen, dass die so heißt“, sagt Detlef Poburski, 79, früher Chef einer Heizungsbaufirma. In Arbeitslatzhose steht der Rentner in der Haustür, Brille auf der Nase, ein Fuß auf der Straße der DSF.
Historiker fordern: Kommunistische Relikte müssten von der Landkarte verschwinden
Ist das nicht seltsam? Schließlich gibt es die Sowjetunion nicht mehr und die Freundschaftsgefühle zum heutigen Russland sind nicht gerade Konsens. Während Historiker aktuell wieder fordern, kommunistische Relikte müssten von der Landkarte verschwinden, überlebte die Straße der DSF in Merzien bislang jeden Sturm. DSF? Klingt für die Nachwende-Generation nach DDR-Museum. Wird hier ein ausgestorbener Dino gewürdigt? Ist es Zeit für etwas Neues? Ein Rundgang entlang der Hauptstraße.
„Als ich meine Firma noch hatte, war ein Unternehmensberater bei uns“, erzählt Poburski. „Der sagte mir: Wenn ihr die Straße nicht umbenennt, kommt nie ein Investor her und baut euch was.“ Interessanter Gedanke. „Ich habe dem geantwortet: Hier kommt doch so oder so keiner her.“
Also heißt es weiter Drushba in Richtung Moskau. „Es gab vor Jahren die Diskussion, ob sie umbenannt werden soll“, so Poburski. „Von mir aus soll sie so bleiben. Wir müssen nicht die ganze DDR-Geschichte tilgen.“ Der Unternehmensberater sei auch ein Westdeutscher gewesen. Poburski zeigt zur Kreuzung. „Straße der Thälmannpioniere“.
Straße der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft: „Das ist alles Tradition“
Muss man nicht alles tilgen, war nicht alles schlecht. Am Straßenrand geht es weiter durch gelbes Laub, hier wird bereits ordentlich geharkt. Hallo, Nachbar! Wie hältst du’s mit der deutsch-sowjetischen Freundschaft? „Das ist alles Tradition“, sagt der Mann, der zwar im Gemeinderat sitzt, aber nicht in der Zeitung stehen will. Eine Umbenennung? „Was das alles kostet!“, entfährt es ihm.
„Darf man nicht unterschätzen! Adresse ändern, Internetseite fürs Geschäft, neuer Ausweis, Sparkasse“, zählt er auf. „Die ganzen Rennereien, das ist einfach zu viel.“ Die Argumente kommen schnell, er spricht nicht zum ersten Mal über seine Hauptstraße. „Es gab da vor Jahren Diskussion im Rat, doch das ist verpufft.“
Umbenennung einer Straße: Kostenfrage kommt immer wieder als Argument
Das glaubt man ihm sofort. In Merzien findet sich im Oktober 2017 niemand, der etwas gegen deutsch-sowjetische Freundschaft einzuwenden hat. Und tatsächlich: Die Kostenfrage kommt immer wieder als Argument. Und außerdem: Sowjetunion? Wieso denn nicht? „Wenn wir westdeutsche Kunden haben, können die mit DSF kaum was anfangen“, flachst der Mann mit schlauem Lächeln. Ansonsten: Viel zu tun heute, auf Wiedersehen.
Dass kein falscher Eindruck entsteht: Die Umbenennung von Straßen und Plätzen kann die Sachsen-Anhalter durchaus auf die Palme bringen. Beispiel Bernburg: Dort versandete in diesen Tagen ein Vorstoß der CDU, eine Helmut-Kohl-Straße auf die Karte zu bringen. Dabei hätte nicht einmal ein Namenspatron Platz machen müssen. Es ging um eine Umbenennung eines Teils der Kalistraße. Überraschend viel Gegenwind ernteten die Christdemokraten. Nun liegen die Pläne vorerst auf Eis.
Anwohner zum Starßennamen: „Eine Umbenennung, das würde ich nicht schön finden“
Zurück zur deutsch-sowjetischen Freundschaft: Wie leise es zwischen den Einfamilien-Häusern in Merzien wirklich ist, merkt man erst, wenn der Traktor vorbeipoltert. Rentner lehnen sich über Gartenzäune, um besser zu verstehen. „Mir ist das egal, was in Russland abgeht“, sagt eine gut gelaunte Frau aus dem Küchenfenster.
„Doch dieser Straßenname hat Tradition für die Leute hier. Eine Umbenennung, das würde ich nicht schön finden.“ Symbole sind wichtig in diesem Ort. Allerdings ist es ist nicht die Freundschaft zur Sowjetunion, die den Menschen etwas bedeutet. Sondern eher der Trotz gegen aufgedrängelte Veränderung.
Google Maps findet nur noch wenige Straßen der DSF in Sachsen-Anhalt. Eine in Wolmirstedt (Börde), eine in Höhnstedt (Saalekreis), eine in Gräfenhainichen (Wittenberg). Die meisten wurden umbenannt. „Ich könnte auch gut damit leben, wenn unsere verschwinden würde“, sagt Adolf Tauer, Ortsbürgermeister in Merzien. „Ich hab das in meinen fast 20 Jahren im Amt schon mehrfach angesprochen, aber es gibt keine Mehrheit.“ Bis auf weiteres heißt es daher: Drushba! (mz)