Das Wunder vom Bärplatz
Köthen/MZ/mb. - Und dennoch haben sich im Inneren des über 100 Jahre alten Baus so viele unglaublich schöne Details einstiger Gestaltungskunst erhalten, dass man in Zeiten grassierenden Vandalismus und moderner "Grabräuberei" schon von mirakulösen Umständen sprechen möchte.
Gelegenheit, sich vom Zustand des stadtbildprägenden Gebäudes zu überzeugen, hatten jetzt die Köthener Mitglieder des Vereins für Anhaltische Landeskunde, der in einer gemeinsamen Veranstaltung mit der Kreisvolkshochschule zu einem Rundgang durch die innerstädtische "Burg" eingeladen hatte.
Als kundiger Führer durch das Haus erwies sich Torsten Wille von der Unternehmensgruppe Burchard Führer, die das Haus vor einiger Zeit erworben hatte, es nun sanieren und anschließend vor allem an Freiberufler vermieten will. Rund eine Million Euro wird der Eigentümer "anfassen", um das einstige Schmuckstück wieder zu einem solchen zu machen. Um für die künftige Mieter entsprechende Parkgelegenheiten zu schaffen , hat man extra in der benachbarten Neustadt Gelände erworben - das Schwertfegerhaus ist derartig von Straßen umgeben, dass direkt am Haus kaum Stellplätze hätten geschaffen werden können. Ende 1907 sollen die Arbeiten am Haus abgeschlossen sein, der Beginn soll dann erfolgen, wenn am Boulevard nicht mehr gebaut wird.
Seinen Namen hat das Haus nach seinem ersten Besitzer. Der Kaufmann Albert Schwertfeger hat auf Familiengrund gebaut. Schon sein Vorgänger, der Seilermeister G. Schwertfeger - ob Vater oder Onkel ist aus den Bauakten im Stadtarchiv nicht zu entnehmen gewesen -, hatte an gleicher Stelle ein Haus gebaut. Mindestens seit 1877 haben am Bärplatz 6 / 7 Schwertfegers im eigenen Haus gewohnt - die Zeit davor liegt im Dunkel, weil erst ab 1877 in Köthen Bauakten geführt wurden.
Mit Friedrich Müntze suchte sich Albert Schwertfeger, der 1901 den Umbau des alten, deutlich kleineren Hauses beantragte, einen erfahrenen Baumeister aus, dessen eigenes Haus in der Augustenstraße 7 zu den schönsten Gebäuden zählt. Müntze baute für Schwertfeger ein Haus, das unübersehbar auch Wohlstand dokumentieren sollte.
Und reichlich Platz bot: Alles in allem dürfte das Haus nicht viel weniger als 1000 Quadratmeter Fläche bieten - allein die Frontseite zum Bärplatz misst 20 Meter, vier Stockwerke hoch türmen sich die Geschosse.
Wenngleich nicht zu ermitteln war, wie viel Geld Albert Schwertfeger für den Bau seines Hauses aufwendete, so ist unübersehbar, dass er nicht knauserte. Und er sparte auch nicht am Detail. Müntze ließ sich möglicherweise auch vom im Jahr 1900 eingeweihten Köthener Rathaus inspirieren: Wer beide Bauten vergleicht, wird am Bärplatz so manches architektonische Zitat wiederfinden, das auf die Rathaus-Baumeister Heinrich Reinhard und Georg Süßenguth verweist. Äußerlich in Neo-Renaissance angelegt, dominiert im Inneren immer noch der Jugendstil. Es gibt wunderschöne Schiebetüren mit geschliffenen Glasscheiben, beeindruckende Täfelungen, originale Bad-Fliesen - fehlende sollen im Fliesenwerk Boizenburg kopiert und wieder angebracht werden.
Dass der neue Besitzer erhalten will, was der Großvater hat bauen lassen, wird auch die Enkelin Albert Schwertfegers freuen. Sie hat bis 1945 in der ersten Etage des Hauses gewohnt und war jetzt bei der Führung mit dabei. Für sie war es zugleich eine Führung in die Familiengeschichte.