Wieder ein Schnellschuss? Corona-„Notbremse“ lässt bei der praktischen Umsetzung in Köthen viele Fragen ungeklärt

Köthen - Bis Ende Juni will die Bundesregierung die Kontakte in Deutschland noch einmal weitgehend einfrieren, um die hohen Inzidenzwerte der Corona-Pandemie auf ein normales Maß abzusenken und die Krankenhäuser zu entlasten.
Doch nachdem der Oster-Lockdown gründlich in die Hose gegangen war und die Kanzlerin dafür allein die Verantwortung übernommen hatte, ist auch mit dem neuen Infektionsschutzgesetz nicht viel Besseres herausgekommen.
Viele der Maßnahmen erweisen sich in der Praxis als nur sehr kompliziert umsetzbar
Vor allem erweisen sich viele Maßnahmen in der Praxis als nur sehr kompliziert umsetzbar. „In dem neuen Gesetz stehen sehr viele Dinge drin, die völlig unangekündigt kommen und dann auch noch von heute auf morgen umgesetzt werden sollen“, sagt Köthens Oberbürgermeister Bernd Hauschild am Montag auf MZ-Anfrage. Und er nannte ein Beispiel.
„Ich habe am Wochenende zu Hause ein wenig gewerkelt und gebaut. Ich bin dann am Sonnabend in den Gartenmarkt gegangen und habe mir die Grünpflanzen besorgt, die ich benötigt habe, aber einen Sack Zement von nebenan aus dem Baumarkt durfte ich nicht mitnehmen. Das kann man den Bürgern nicht mehr erklären.“
Auch, dass von heute auf morgen bei den wenigen Geschäften, Läden oder Dienstleistern, die überhaupt noch öffnen dürfen, fast ausnahmslos aktuelle Schnelltests vorzulegen sind, sei eine Festlegung, die die Menschen ohne den nötigen zeitlichen Vorlauf erwischt hätte.
Wofür braucht man einen 24-Stunden-Schnelltest im Tierpark?
„Wenn am Kaufland-Center nicht kurzfristig ein offensichtlich privat betriebenes Testzentrum geöffnet hätte, dann wäre kein Köthener Bürger im Besitz eines aktuell gültigen Schnelltests gewesen, weil das Testzentrum der Stadt die letzte Bescheinigung bereits am Donnerstag ausgestellt hat“, sagt Hauschild.
Und der Oberbürgermeister hatte noch ein Beispiel parat. „Fünf Kinder unter 14 Jahren dürfen gemeinsam ohne Einschränkungen Sport treiben. Aber die müssen natürlich beaufsichtigt werden. Und das darf nur ein Übungsleiter, der ein aktuell gültigen Schnelltest vorweisen kann.“
Und wofür braucht man einen 24-Stunden-Schnelltest im Tierpark? „Die Besucher spazieren dort unter freiem Himmel, die Häuser sind doch sowieso geschlossen. Das ist den Menschen nicht mehr vermittelbar. Die Bürger haben auszubaden, was sich die Regierung im Schnellschuss-Verfahren ausdenkt“, erklärt Hauschild, der auf die Regierungsentscheidungen während der Corona-Pandemie ohnehin nicht gut zu sprechen ist.
Auch Friseure oder Händler sind verunsichert darüber, welcher Schnelltest denn anerkannt wird
Einen anderen Aspekt stellt Christina Buchheim in den Raum. Die Landtagsabgeordnete der Linken bemängelt, dass man angesichts der geforderten Schnelltests bald Urlaub nehmen müsse, um alle privaten Dinge zu regeln. Und sie stellt die Frage nach den Kosten. „Ein Test pro Woche ist kostenfrei. Doch was ist mit den anderen, die jeder Bürger bald benötigt - egal, ob im privaten Bereich oder auch im Job, wenn man ohne einen Test nirgends Einlass findet“, fragt Buchheim. „Da sollten sie in Berlin noch einmal nachjustieren und die Kassen in die Pflicht nehmen.“
Und auch Friseure oder Händler sind verunsichert darüber, welcher Schnelltest denn anerkannt wird, weil Handwerkskammern ihren Mitglieder eine andere Auslegung präsentieren als jene, die im Gesetzblatt steht. (mz/Karl Ebert)