Chöre rund um Köthen Chöre rund um Köthen: Männermangel bei den Nachwuchssängern

Köthen - „Männer, werdet munter!“, ruft Angela Groß. Sie leitet den Chor des Köthener Ludwigsgymnasiums. Bei der Probe sind gut 30 Kinder und Jugendliche anwesend. Davon sind etwa fünf Jungen. Bei diesem Zahlenverhältnis wird den Männerstimmen natürlich besondere Aufmerksamkeit zuteil.
In ihrem Chor, erzählt Groß, seien insgesamt gut 50 Schüler und Ehemalige aktiv. Insgesamt gebe es gut zehn männliche Sänger. Die jüngsten von ihnen singen allerdings Frauenstimmen, weil ihnen der Stimmbruch noch bevorsteht. „Eine Männerstimme bildet sich erst nach dem Stimmbruch richtig aus. Das heißt bei den Schülern: in der achten oder neunten Klasse. Dann dauert es noch etwas, ehe die Männerstimme richtig zum Tragen kommt. Bis es soweit ist, sind die Jungs in der Oberstufe“, erzählt die Lehrerin. Dass in ihrem Chor weniger Jungen als Mädchen seien, sei an sich nicht schlimm. Ein Verhältnis von eins zu drei oder eins zu vier zwischen Männer- und Frauenstimmen sei ideal, so die Chorleiterin. „Allerdings ist es wirklich schwer, überhaupt so viele Jungen zum Mitsingen zu bewegen. Der Chor gilt als uncool“, sagt die Lehrerin. „Ich habe schon oft ganz lieb Bittebitte gesagt, meist ohne Erfolg.“
Wege zum Chor
Immerhin. Bei Moritz Pallas, Philipp Grundmann und Paul Lehmann hat es geklappt. Moritz besucht die zehnte Klasse des Gymnasiums, seine beiden Mitsänger sind Ehemalige. Die Wege, die die drei jungen Männer zum Chor führten, sind sehr unterschiedlich: Der eine wurde von seiner Schwester zum Mitsingen überredet, der andere kam über seine Mitgliedschaft in der Instrumentalgruppe der Schule dazu, der dritte wurde von seiner Lehrerin angesprochen und zum Mitmachen aufgefordert.
Zu den männlichen Nachwuchssängern gehört auch Luca Gmell aus Aken. Der Fünftklässler singt noch Sopran. „Ein paar Mädchen aus meiner Klasse haben gesagt, ich soll den Chor mal ausprobieren, weil es Spaß macht“, erinnert sich Luca. „Sie hatten Recht.“
Mädchen versuchen entgegenzusteuern
So wie Lucas Klassenkameradinnen versuchten viele Mädchen aus dem Chor, Jungs zum Mitsingen zu überreden - meist erfolglos. „Die Standardausrede heißt: Ich kann nicht singen“, berichtet eine Schülerin. Vielen Jungs sei es wohl peinlich, vor Publikum aufzutreten, vermutet eine andere.
Diese Ausflüchte kennt man nicht nur im Schulchor. Von den Nachwuchs-Problemen gestandener Erwachsenenchöre kann Reinhard Körner ein Lied singen. Er ist Vorsitzender von „Chorklang Eintracht Köthen“. In diesem gemischten Chor singen 18 Männer und ebenso viele Frauen zusammen. „Chorklang“ entstand im Frühjahr dieses Jahres durch eine Umfirmierung des Männerchores Eintracht Köthen.
Gemischter Chor als Lösung
Knapp 150 Jahre habe der Männerchor bestanden, sagt Körner. Doch neue Herren für das Singen zu begeistern, sei immer schwieriger geworden, darum habe man sich umorientiert. „Klar, ein bisschen wehmütig waren wir schon. Aber es ging vor allem darum, den Chorgesang als solchen zu erhalten“, erklärt Körner den Schritt hin zum gemischten Chor. Bereut habe er ihn nicht, versichert er. „Es war die richtige Entscheidung.“
„Männer genieren sich oft, wenn sie sich auf der Bühne vor Publikum präsentieren sollen“, erklärt Eckhard-Bodo Elze, zweiter „Chorklang“-Vorsitzender. Frauen seien da weniger zurückhaltend. Die Chorfreunde veranstalteten öffentliche Proben, um neue Sängerinnen zu finden. „Wir hatten erst Angst, dass niemand kommt und waren von der Resonanz überwältigt“, erinnert sich Elze. Gut 30 Frauen kamen. Die Zusammenarbeit zwischen den Geschlechtern klappe sehr gut, versichert Schatzmeister Herbert Giermann. Man sei dabei, ein völlig neues Programm einzustudieren und komme gut voran. Und noch etwas Positives gibt es zu vermelden: Durch die Frauen betrage der Altersdurchschnitt im Chor jetzt 62 Jahre - sieben Jahre weniger als zuvor. (mz)
