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Bunker-Geschichte Bunker-Geschichte: Geheimnis des "Objekt Fasan" gelüftet

Von helmut dawal 23.10.2013, 19:14
Der Vortrag von Martin Albrecht in der Kreisvolkshochschule stieß auf großes Interesse.
Der Vortrag von Martin Albrecht in der Kreisvolkshochschule stieß auf großes Interesse. Rebsch Lizenz

Köthen/Ostrau/MZ - „Objekt Fasan“ - was mag das sein? Antwort auf diese Frage gab es bei einem Vortrag an der Kreisvolkshochschule Köthen, gehalten von Martin Albrecht, Mitarbeiter bei der Stasi-Unterlagenbehörde in Halle. Die Mitarbeiter dieser Einrichtung geben Bürgern nicht nur Akteneinsicht, sie sehen ihren Auftrag auch darin, Aufklärungsarbeit über den früheren Geheimdienst der DDR zu leisten. „Zweimal im Jahr führen wir deshalb auch auswärts Veranstaltungen durch“, betonte Uta Leichsenring, Leiterin der Außenstelle Halle der Stasi-Unterlagenbehörde.

Dass die mit vielen Geheimnissen verbundene Stasi auch nach mehr als zwei Jahrzehnten ihrer Auflösung noch immer auf Interesse stößt, bewiesen die zahlreichen Besucher, darunter auch viele aus dem Saalekreis. Sie alle wollten wissen, was es mit dem „Objekt Fasan“ bei Ostrau auf sich hatte. Auskunft dazu gab der Historiker Martin Albrecht. Seine Masterarbeit zur mittleren und neueren Geschichte hat er über die Stasi-Untersuchungshaftanstalt in Leipzig geschrieben und sich intensiv mit den Strukturen dieses Teils des Machtapparates der SED-Diktatur beschäftigt. „Objekt Fasan“ - das war eine Bunkeranlage, in der im „Ernstfall“ die Stasi-Führungskräfte Schutz gefunden und von hier aus alle Handlungen geleitet hätten. In jedem Bezirk der DDR, so Albrecht, gab es eine solche so genannte Ausweichführungsstelle.

Das Bauvorhaben blieb den Menschen nicht verborgen

Die auf dem Hoppberg bei Ostrau entstand von 1969 bis 1971, bestand aus einem Doppelwohnhaus, einem großen Obstgarten sowie Werkstatt und Garagengebäuden. Unten drunter befand sich der etwa 500 Quadratmeter große Bunker. Rund 100 Mitarbeiter hätten hier Platz gefunden, darunter auch der Verbindungsoffizier zum sowjetischen Geheimdienst KGB. „Vorher war dort eine Futterstelle für Fasane. So wurde das Objekt dann intern bezeichnet“, berichtete Albrecht. Gebaut worden seien in dieser Zeit auch Schutzräume in der POS Ostrau im Schloss. Zur Ausweichführungsstelle gehörte außerdem eine Sendestelle mit mobilem Sendemast am Steinbruch Ostrau.

Das Bauvorhaben „Fasan“ blieb den Menschen natürlich nicht verborgen. Freilich gab es dazu keine öffentlichen Verlautbarungen, so dass viele Gerüchte kursierten - Atomschutzbunker, Raketenabschussrampe und in der POS ein Gefängnis, zählte Albrecht auf. Eine Legende musste also her, und so wurde, wenn die Sprache auf das geheimnisvolle Objekt kam, von einer Notwasserversorgungseinrichtung gesprochen. „Eine mangelhafte Legende, das hat selbst die Stasi so gesehen“, berichtete Albrecht. Denn das fragliche Grundstück verfügte weder über Wasseranschluss noch Rohrsysteme, die für eine Notwasserversorgung erforderlich gewesen wären.

Zudem sei die Tätigkeit des ersten Objektkommandanten für die Stasi in der Bevölkerung allgemein bekannt gewesen. Der Kommandant selbst habe zur Dekonspiration beigetragen. Anlässlich seines Geburtstages habe er Jäger in sein Wohnhaus auf dem Gelände eingeladen und eine Waffenschau abgehalten. Der Vorfall zog für ihn ein Disziplinarverfahren und die Versetzung nach sich. „Gleichwohl also die Legende zur Ausweichführungsstelle unglaubwürdig war, kam eine neue Legendierung nicht in Betracht“, schilderte der Historiker.

Nicht nur die Einwohner interessierten sich für das Objekt

Nicht nur die Einwohner interessierten sich für das Objekt. Auch Fahrzeuge der westlichen Militärverbindungsmissionen fuhren öfter mal vorbei, vermutlich wissend, um was für eine Einrichtung es sich handelt. Ostrau erhielt wegen des „Objektes Fasan“ durch die Stasi die wenig schmeichelhafte Einstufung als „operative Schwerpunktgemeinde“.

Was zur Folge hatte, dass in den 1980er Jahren in Ostrau und umliegenden Orten gleich 19 inoffizielle bzw. gesellschaftliche Mitarbeiter der Stasi aktiv waren. 1983, wusste Albrecht zu berichten, wurde die Post aller Bürger aus Ostrau und Werderthau ein halbes Jahr lang kontrolliert, um einen Überblick über alle Westkontakte der Einwohner zu bekommen.

Das „Objekt Fasan“ wurde nach 1990 geplündert und ausgeraubt und ist heute eine einzige Müllkippe. Eigentümer ist das Bundesvermögensamt.

Auf die Frage, warum das Objekt nicht an jemanden vergeben wurde, der es in irgendeiner Weise hätte nutzen können, musste Martin Albrecht passen. „Aus den Unterlagen, die wir haben, geht so etwas nicht hervor.“

Einer der Eingänge zum Stasi-Bunker bei Ostrau.
Einer der Eingänge zum Stasi-Bunker bei Ostrau.
Rebsch Lizenz