Bundestagswahl 2017 Bundestagswahl 2017: Ein Arzt aus Zerbst möchte die "neue FDP" in den Bundestag bringen

Zerbst - Walter Elß hat wenig Zeit. In diesen Wochen noch weniger als sonst. Der Arzt muss sich nicht nur um seine Patienten kümmern, sondern auch noch um seine Wähler.
Und solche, die es werden sollen. Elß will auch etwas werden: Bundestagsmitglied nämlich. MZ-Redakteur Matthias Bartl sprach mit Walter Elß über dessen Kandidatur zur Bundestagswahl 2017.
Herr Elß, CDU-Mann Norbert Lammert sitzt seit 37 Jahren im Bundestag und hat verkündet, für die nächste Legislaturperiode nicht wieder zu kandidieren. Er werde schließlich nicht jünger. Lammert ist nicht mal ein Jahr älter als Sie. Er geht, Sie wollen in den Bundestag. Wieso?
Walter Elß: Dafür habe ich zwei Gründe. Einen allgemeinen: Angesichts des wachsenden Populismus halte ich es für ausgesprochen wichtig, dass wir Liberalen wieder Sitz und Stimme im Bundestag bekommen.
Einen persönlichen: Als meine Partei nach einem Direktkandidaten für den Wahlkreis gesucht hat, hat sich von den Jüngeren keiner gemeldet. Dann war es für mich richtig, es selbst zu versuchen. Wenn wir die Direktkandidatur im Wahlkreis nicht besetzen, gehen wertvolle Stimmen, nicht zuletzt wertvolle Zweitstimmen, verloren.
Deute ich Ihren Verweis auf die Zweitstimmen richtig, dass Sie sich keine übermäßigen Hoffnungen auf das Mandat machen?
Walter Elß: Damit keine Missverständnisse entstehen: Ich nehme die Kandidatur ernst. Ich habe es immer ernst genommen, wenn ich für ein politisches Amt kandidiert habe. Aber ich bin kein Fantast, was das Direktmandat angeht. Und mit Listenplatz 7 habe ich über die Zweitstimme nur eine Chance, wenn die FDP, grob gerechnet, über 20 Prozent bekommt.
Darum geht es also nicht. Es geht um acht oder zehn Prozent für die FDP, dann haben drei, vier Liberale aus dem Land eine Chance, künftig im Bundestag mitzuregieren. Wichtig ist die FDP. Für Walter Elß ist Walter Elß da eher unwichtig.
Einem Teil seiner Patienten wäre Walter Elß weiterhin als Arzt lieber
Nehmen wir an, Sie schaffen es in den Bundestag. Sie sind Arzt: Was meinen Sie, wie Ihre Patienten reagieren werden und wie Ihre Frau? Die einen verlieren Sie gänzlich, für die anderen werden Sie viel weniger Zeit haben als bisher.
Walter Elß: Na, meine Frau hat teils, teils reagiert, als ich sie gefragt habe, was sie zu meiner Kandidatur sagen würde. Ich habe mich natürlich mit ihr beraten (lacht). Sie hat nicht gesagt, dass sie sich scheiden lässt. Was die Reaktionen der Patienten betrifft, so waren auch die ziemlich gemischt.
Die einen haben gesagt, das ist in Ordnung, mach das. Andere haben mir gesagt, dass ich ihnen als Arzt lieber bin als als Politiker. Was die Praxis angeht, da würde ich für den Zeitraum im Bundestag einen Arzt anstellen, damit es weitergeht. Allerdings suche ich sowieso schon seit zwei Jahren einen Nachfolger. Bisher erfolglos.
Womit wir mitten im Leben wären und in der Politik. Zum Beispiel in der Gesundheitspolitik. Wäre das ein Betätigungsfeld für Sie im Bundestag?
Walter Elß: Naturgemäß ja. Aber durch meine langjähriger Tätigkeit in der Kommunalpolitik habe ich mit vielen Bereichen der Politik zu tun gehabt, ganz gleich, ob im Zerbster Stadtrat oder im Zerbster Kreistag.
Da ist man auch dicht an den Problemen dran, die ihre Wurzeln in einer verfehlten oder inkonsequenten Bundespolitik haben und geändert werden müssen. Auch dafür, ich wiederhole mich, ist die neue FDP dringend nötig. Niemand glaubt doch ernsthaft daran, dass sich bei einer Fortsetzung der CDU/SPD-Koalition etwas ändern würde. Dafür ist die FDP unverzichtbar.
Walter Elß möchte die Elbe als wichtigen Verkehrsweg weiter fördern
Für welche Projekte in Anhalt-Bitterfeld würden Sie sich einsetzen, wenn Sie im Bundestag wären?
Walter Elß: Die Elbbrücke bei Aken muss kommen. Nicht zuletzt im Wahlkampf habe ich wieder gemerkt, wie notwendig diese Verbindung über die Elbe hinweg ist – so schön es auch ist, ab und an auf der Fähre zu fahren.
Und die Elbe ist auch für anderes ein gutes Stichwort. Der Fluss hat über Hunderte Jahre hinweg als Verkehrsweg gedient. Das sollte auch für die Zukunft so bleiben, aber dafür muss man am Fluss etwas tun. In diesen Bereich gehört für mich auch, dass der letzte Abschnitt des Saale-Ausbaus endlich in Angriff genommen wird.
Geht es nach den Umfragen der Meinungsforscher, dann wird das Thema Zuwanderung im Wahlkampf und bei der Entscheidung an der Wahlurne eine große Rolle spielen. Was ist Ihrer Meinung nach die wichtigste Aufgabe bei diesem Thema?
Walter Elß: Am wichtigsten ist eine Integration nach dem Grundsatz, dass der ein Bleiberecht hat, wer unser Grundgesetz anerkennt und sich in unsere Gesellschaft integrieren will.
Wer hier aber ein, ich sage mal Parallel-Universum errichten will, soll dahin zurückkehren, wo er hergekommen ist.
Nehmen wir an, Sie wären Bundeskanzler. Was würden Sie anders machen als die Amtsinhaberin?
Walter Elß: Ohne auf Einzelnes einzugehen: Ich würde Politik nicht aussitzen, sondern gestalten. Das ist mir in den zurückliegenden zwei Jahren deutlich zu kurz gekommen. Es hat zum Beispiel in der Flüchtlingsfrage kein klares Konzept gegeben.
Es gibt in der Gesundheitspolitik kein klares Konzept. Und anderswo auch nicht. Da ist viel zu tun. Wie viele andere bin auch ich enttäuscht von der Arbeit der Bundesregierung. Und weil Sie am Anfang danach gefragt hatten: Sicher ist auch diese Enttäuschung Motivation für mich, im Wahlkreis 71 für die FDP zu kandidieren. (mz)
Walter Elß ist in Zerbst geboren, wo er bis heute lebt und seit vielen Jahren eine Praxis als Facharzt für Innere Medizin, Schwerpunkt Diabetologie, betreibt. Der 67-Jährige ist verheiratet und Vater dreier längst erwachsener Kinder.
Walter Elß war zu DDR-Zeiten SED-Mitglied („Mein bisher größter politischer Fehler“), war von 1990 bis 2006 parteilos und ist seit 2006 Mitglied der FDP. Hans-Dietrich Genscher bezeichnet er als politisches Vorbild.
Er ist Mitglied in verschiedenen Fördervereinen seiner Heimatstadt, so für die Kreismusikschule, das Schloss Zerbst, das Francisceum und den Wasserturm Zerbst.