Brieffreundschaft Brieffreundschaft: Jahrzehnte gehalten

aken/MZ - Brieffreundschaften zu Schülern aus der Sowjetunion lagen zu DDR-Zeiten voll im Trend. Schließlich zählte Russisch zu den Pflichtfächern und stand ab der fünften Klasse mehrmals in der Woche auf dem Stundenplan. So förderte man den Austausch unter den Jugendlichen bewusst. Manche dieser Kontakte verebbten jedoch schon nach wenigen Wochen, andere wiederum blieben über mehrere Jahre erhalten. Fotos, Postkarten, Abzeichen und Ähnliches tauschte man aus. Die meisten dieser Kontakte jedoch brachen spätestens mit dem Ende der Schulzeit ab.
Auch Ruth Klose aus Aken hatte während ihrer Zeit in der Akener Pestalozzischule eine sowjetische Brieffreundin. Die meisten der zur Auswahl stehenden Schülerinnen aus der Sowjetunion schrieben auf Russisch. Laima Cine dagegen schrieb ihre Briefe auf Deutsch. Das gefiel Ruth Klose und so entschied sie sich für diese Adresse. Ein regelmäßiger Briefverkehr zwischen den beiden Mädchen entwickelte sich.
Dass der Kontakt nach mehreren Jahrzehnten immer noch bestehen würde, hätten die beiden Mädchen damals nicht für möglich gehalten.
"Ich wollte schon immer lebendiges Deutsch lernen"
Im Alter von 20 bzw. 21 Jahren trafen sich Ruth und Laima zum ersten Mal in Moskau. Die junge Akenerin reiste 1968 mit einer Gruppe in die sowjetische Hauptstadt, wo sich die deutsch-sowjetischen Freundinnen verabredeten. Dabei wohnte Laima einige Zugstunden entfernt in der damaligen lettischen Sowjetrepublik.
Schnell war das Eis zwischen der jungen Lettin und der Deutschen aus der DDR gebrochen und auch in der Reisegruppe war sie schnell willkommen. Schließlich konnte sich die Germanistikstudentin Laima gut auf Deutsch verständigen.
Überhaupt, so erzählt die inzwischen 66-jährige, habe ihr die Freundschaft sehr bei ihrem Studium sowie ihrer anschließenden Arbeit als Dolmetscherin geholfen. „Ich wollte schon immer lebendiges Deutsch lernen. Nicht nur das aus der Schule“, erzählt die Ukrainerin. Sogar eine ganze Sammlung von umgangssprachlichen Deutschen Bezeichnungen legte sich die Studentin an. „Ich war der Star, denn ich kannte Redewendungen, die kein anderer kannte“, erzählt Laima voller Stolz.
Es blieb jedoch nicht bei diesem einen Treffen. Regelmäßig besuchten sich die Frauen, später dann auch mit ihren Familien.
Kürzlich war Laima Cine zum vierten Mal bei Familie Klose in Aken zu Besuch. Eigentlich war der Termin ihres Besuches schon viel früher festgelegt. Doch das Hochwasser machte einen strich durch die Rechnung. Gemeinsam wurden Ausflüge nach Jena zur Tochter der Kloses und nach Dessau unternommen. Auch nach Magdeburg fuhr die Lettin, da sie dort Kontakte aus ihrer Arbeit als Dolmetscherin hat. Von Beginn an wuchs die Begeisterung für Deutschland in ihr. „Besonders toll fand ich beim ersten Besuch die Seiflappen hier. Das habe ich zu Hause auch gleich eingeführt“, erinnern sich die Frauen lachend an ihre Erlebnisse. „Auch der Lebensstil hier mit den eingeschlossenen Höfen hat mir sehr gut gefallen. Bei uns musste alles überschaubar sein“, so die 66-jährige.
"Die Jacken bekamen bei uns alle Namen"
Sie selbst hatte lange Zeit nur ein Hinterzimmer bei einer Wirtin bewohnt und lebt nun in einer kleinen Wohnung mit ihrer 28-jährigen Tochter.
Regelmäßig schickte Ruth Klose Päckchen mit Sachen aus dem sogenannten „Westen“ von ihrer Tochter nach Lettland. „Die Jacken bekamen bei uns alle Namen“, erklärte Laima die Bedeutung dieser Geschenke für ihre Familie. Zu DDR-Zeiten tarnte die Akenerin den Inhalt der Geschenksendungen als Buch vom „Wundertäter“ in einer Kiste. „Das Buch hat sie nie wirklich bekommen, aber so hat es immer geklappt“, erzählt die 65-jährige schmunzelnd.
Auch die Kloses wollten einmal den Wohnort von Laima erkunden und reisten deshalb 2005 nach Riga. Bis vor kurzem noch dolmetschte ihre Brieffreundin dort für eine Bremer Firma. Sie beherrscht die Sprachen Deutsch, Lettisch, Russisch und Englisch. Inzwischen jedoch hat sie sich zur Ruhe gesetzt und konzentriert sich auf andere Dinge wie Erdbeerkuchen nach deutschem Rezept zu backen. Denn die Erdbeertorte von Ruth Klose hatte es der Lettin schon immer angetan. „Bei uns gibt es jetzt auch immer Erdbeerkuchen“, erzählt Laima freudig.