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Bitterkräuter in Salzwasser

Von Anne Passow 24.03.2008, 18:26

Gröbzig/MZ. - Auch diesmal stand sie mit zwei Kollegen und ihrer Mutter bis fünf Uhr nachmittags am Herd, um eine Stunde später mit rund 80 Besuchern aus der Umgebung Seder zu feiern.

Es kamen einige Juden aus Halle und Köthen, die Méndez eingeladen hatte. Vor allem aber strömten alte Bekannte aus den umliegenden Dörfern in die Räume des Museums. Sie machen das Ritual seit Jahren mit, auch wenn sie sonst nicht viel mit der jüdischen Religion zu tun haben. "Wir könnten auch am Tischabendmahl in unserer Kirche teilnehmen. Aber der Seder am Gründonnerstag gehört für uns inzwischen einfach dazu", sagt Petra Rohde, die, wie jedes Jahr, mit ihrem Mann und einem Freund extra aus Dessau gekommen ist.

Das Ritual an sich, das schon zur Gröbziger Ostertradition geworden ist, und der geschichtliche Hintergrund faszinieren die Frau. Das jüdische Pessachfest erinnert an den Auszug des jüdischen Volkes aus Ägypten und damit an seine Befreiung aus der Sklaverei. Während der acht Festtage wird nur ungesäuertes Brot gegessen, denn "die Israelis mussten so schnell aus Ägypten ausziehen, dass zum Säuern und Gärenlassen der Brote keine Zeit mehr blieb", erklärt Méndez.

Der Seder, übersetzt "Ordnung", ist das große Festmahl im Familienkreis, das dem Abendgottesdienst in der Synagoge folgt, mit dem das Pessachfest beginnt. Beim Seder verzehren die Teilnehmer Speisen mit symbolischer Bedeutung nach einem festgelegten Ablauf. "So tauchen wir Bitterkräuter in Salzwasser, um damit an die bittere Zeit der Sklaverei und der Flucht zu erinnern. Das Salzwasser symbolisiert die Tränen", erklärt Méndez, die das Ritual im jüdischen Museum mit einigen Mitstreitern leitete.

Abwechselnd lasen sie den Besuchern Stellen aus der Haggada, der Pessachliturgie, vor, die die symbolische Bedeutung der Speisen erklären. Nach dem symbolischen Verzehr folgte das eigentliche Festmahl. Beendet wurde die Zeremonie mit dem Chord, "einem meditativen Atmen, das wir zu einem gemeinsamen Laut steigern", erklärt Méndez. Eine Besonderheit habe das Sederritual zum Pessachfest im jüdischen Museum diesmal: "Nach dem jüdischen Kalender sind wir in einem Schaltjahr. Deshalb wird Seder und Pessach dieses Jahr eigentlich viel später gefeiert", erklärt sie.

Für die vielen christlichen Besucher, für die Seder im jüdischen Museum in Gröbzig zu Ostern einfach dazugehört, hatte Méndez das Fest aber trotzdem auch dieses Jahr wieder auf den Gründonnerstag gelegt. Maria Mauer aus Halle beging ihren Gründonnerstag zum ersten Mal im jüdischen Museum. Aus Neugierde begleitete die 18-Jährige ihre Freundin Lea Hoyer, die mit ihrer Mutter jedes Jahr dabei ist. "Ich finde einfach, dass es ein nettes Zusammenkommen ist, mit schönen Liedern und leckerem Essen", sagt Lea. Das ist es auch für Rosel und Rainer Otto. Das ältere Ehepaar reiste aber auch aus anderen Gründen aus dem benachbarten Bernburg an: "Ich sehe das auch als historische Verantwortung, uns mit der Geschichte der Juden auseinanderzusetzen", sagt Rosel Otto und erklärt: "Mein Vater war während des Dritten Reiches im KZ. Ich wusste schon als Kind, dass damals Tausende Juden umgebracht wurden."

Alexander Goldberg ist jüdischer Abstammung. Der Pianist sorgte an diesem Abend für musikalische Begleitung. "Das ist jedes Jahr immer wieder phantastisch hier. Es kommen so viele altbekannte und neue Menschen zusammen", freut er sich und ist überzeugt, dass sich die Gröbziger Seder-Tradition noch viele Jahre und Jahrzehnte fortsetzen wird.