Bewegender Abschied vom «Theater»
KÖTHEN/MZ. - Nun verabschiedete sich auch der Malzirkel von dem traditionsreichen Haus, das einen neuen Eigentümer gefunden hat (die MZ berichtete). 15 Jahre lang hatten die Mitglieder des Malzirkels im Keller des Bürgerhauses ihr Domizil, in dem sie auch schon zwischen 1965 und 1977 logierten. Zwischendurch zogen sie mehrfach um, unter anderem ins Dürerbundhaus und in den ehemaligen Brecht-Club. Das vorläufig letzte Kapitel dieser Geschichte führt sie in die Lutzeklinik, in der bereits all ihre Utensilien untergebracht sind.
Ein letztes Mal trafen sie sich nun Mittwoch vor dem Bürgerhaus, um es - wie man das von bildendenden Künstlern erwartet - zu malen. Obwohl es wahrscheinlich ein jeder von ihnen hätte blind malen können, so oft wie sie hier ein- und ausgegangen sind. "Wir wollten nicht klanglos gehen", erklärt Hartmut Schmiegel, der Vorsitzende des Malzirkels. Doch die Szene, als die Mitglieder des Zirkels ihre fertigen Bilder an die Fassade stellten und Blumen niederlegten, war weniger geräuschvoll als bedrückend still. Jeder der rund 30 malenden Mitglieder hat den Abschied aus dem Theater auf seine Weise verewigt. Manch einer hat schlichtweg die charakteristische Fassade mit Bleistift, Kohle oder als Aquarell auf Papier gebracht. Andere haben schon den Verfall thematisiert. Auf einem Bild beispielsweise ist ein Teil der Fassade weggebrochen und der Sensenmann, als Personifizierung des Todes, thront über dem Gebäude. Noch drastischer zeigt es eine Karikatur mit zwei Geiern und einem Grabgebinde, dessen letzter sarkastischer Gruß "Gute Nacht Freunde" lautet.
Hartmut Schmiegel ist das Haus nicht nur als Vorsitzendem des Malzirkels bestens bekannt, sondern auch als ehemaligem Mitarbeiter. Über 30 Jahre hat er hier gearbeitet, zuletzt wirkte er als Bühnenmeister an dieser Stätte. "Da ist man schon etwas mit dem Haus verwachsen", sagt er wehmütig und denkt in diesem Moment noch einmal an die Erlebnisse der letzten Jahre zurück. So haben die Mitglieder des Malzirkels manchmal Skizzen während Sinfonie-Konzerten oder anderen Veranstaltungen machen dürfen. "Das war schon etwas besonderes." Wie im übrigen die ganze Atmosphäre in dem Haus eine ganz besondere war, bemerkt Klaus Henschel. "Es ist ganz schön traurig", sagte er merklich bewegt. Dabei bedauert der 67-Jährige nicht nur, dass der Malzirkel ausziehen musste. Vielmehr trauert er um die Kulturstätte, in der er schon als Achtjähriger mit seiner Mutter Schillers "Kabale und Liebe" auf der Bühne sah und diesem Besuch sollten später unzählige folgen. "Das Theater ist ein Stück Köthener Kultur", sagt Henschel. Das könne auch das neue Veranstaltungszentrum nicht ersetzen. Wolfgang Witte aus Aken stimmt ihm zu. "Hier war immer Leben drin am Mittwoch", erinnert er sich an die vielen wöchentlichen Zusammenkünfte.
Zwar trifft sich der Malzirkel weiterhin einmal wöchentlich und auch die Gemeinschaft, "in der die Chemie stimmt" wie er sagt, wird bestehen bleiben. Aber es wird nicht dasselbe sein, glaubt Witte, der seit 2002 Mitglied im Malzirkel ist. Schon allein, weil man sich im neuen Domizil aufgrund des geringeren Platzangebotes einschränken müsse. "Dass wir im Theater sein durften, war für uns ein Glücksfall", sagt Witte.
Mit gemischten Gefühlen ließ Birgit Bruck noch einmal die Blicke über den Eingang und die Fassade schweifen, die schon lange ein breiter Riss durchzieht. "Für uns war das ein Domizil, in dem wir uns wohl gefühlt und schöne Stunden miteinander verbracht haben", sagt die Kleinwülknitzerin. Auch wenn sie die Bilder zur Erinnerung haben. "Aber die Traurigkeit bleibt."
Trotz aller Trauer ist Hartmut Schmiegel aber auch pragmatisch. Man könne die Entwicklung nicht aufhalten und blickt optimistisch in die Zukunft. Er sei froh über das neue Quartier in der Lutzeklinik, an das er sich auch schon etwas gewöhnt hat. "Hoffentlich können wir dort länger bleiben."