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Anzeige gegen den Weihnachtsmann

Von LOTHAR GENS 05.12.2008, 17:04

KÖTHEN/MZ. - Wann das aber sein wird, weiß der Köthener Weihnachtsmann nicht. "So lange wie es geht" werde er den Job weitermachen, lässt er wissen. Denn Spaß gemacht hat ihm das immer: die vielen schönen Erlebnisse mit Hunderten, Tausenden (?) von Kindern. Mit dem Nachwuchs in den Anfangsjahren, der jetzt schon wieder mit seinen Kindern zu ihm kommt, wenn "Hänschen" Trenka über den Weihnachtsmarkt stapft - mit nunmehr 60 Jahren noch immer hünenhaft und Respekt gebietend wie ehedem. In diesem Sinne ist das Wirken eines Weihnachtsmannes - zumindest in Trenkas Fall - generationenübergreifend.

Auf vielen Fotos verewigt

Zuweilen genießt das der Köthener Ruprecht, der vor seinem Ruhestand als Hausmeister der gute Geist der Kindertagesstätte "Löwenzahn" gewesen ist. Zum Beispiel, wenn ihm hinterbracht wird, dass die hübsche junge Frau - ja, die dort - auch schon mal auf seinem Schoß gesessen hat - als sie sechs Jahre alt war ist sie mit dem Weihnachtsmann auf dem Köthener Weihnachtsmarkt fotografiert worden. So wie ihr, wird es wohl 80 bis 90 Prozent der Köthener Kinder ergangen sein in den Jahren, als es diese Fotos noch gegeben hat. Im Gegenzug lächelte Hans Trenka auch schön gütig als Knecht Ruprecht von Weihnachtsmarkt-Plakaten herab. So ein für diese Rolle prädestinierter Typ ist eben irgendwie geboren für Publicity.

Was aber nicht schützt vor gelegentlicher Ungemach. Nicht jeder weiß, was das Wichtigste ist für den, der zu Weihnachten die Geschenke bringt: Ein Parkplatz in der Nähe seines Wirkens. Politessen ist das zuweilen recht egal. Hans Trenka nicht, denn er möchte sein Sack und Pack nicht ewig durch die Gegend buckeln. Oder es gibt eben feste Zeiten, in denen der Kollege Weihnachtsmann auf der Bühne zu stehen hat. Wenn er da aber gerade einen Parkplatz suchen muss und ewig keinen findet . . . Das birgt Konfliktstoff.

Wie vor zwei Jahren, als Trenka die Ehre hatte, zusätzlich auch den Dessauer Weihnachtsmarkt zu eröffnen. Sein dortiger Berufskollege war in den Ruhestand gegangen, und in der Mulde-Metropole suchte man händeringend nach einem würdigen Ersatz. Kurz bevor Trenka dann seinen großen Auftritt haben sollten, gerieten ob des etwas unkonventionell gewählten Parkplatzes zwei Politessen und der Rotrock leicht aneinander - aber alles fand ein gutes Ende.

"Gezielter" Wurf mit Bonbon

Ein gutes Ende hatte es auch gefunden, als der Weihnachtsmann seine bislang einzige Anzeige bekam. Da hatte er mit seinen Wichteln noch während sozialistischer Weihnachten auf einem Balkon gestanden und Bonbons ins Volk geworfen. Eine dieser süßen - aber harten - Sachen hat ein Passant ins Auge bekommen. Es folgte die Anzeige wegen gezielten Werfens mit Bonbons. Was aber dann mehr oder weniger im Sande verlaufen ist. Wahrscheinlich, weil dem Weihnachtsmann dann doch keine böse Absicht nachzuweisen war.

Aber der Wille zur Perfektion. Dafür hat sich Trenka Tabus und Regeln aufgestellt. Absolutes Tabu ist Alkohol während der Arbeit. "Wenn ich die Glühweine trinken würde, zu denen ich eingeladen werde - aber hallo", zwinkert Hans Trenka mit den Augen. Einige Regeln: Die Fingernägel müssen sauber sein, die Stiefel geputzt. Denn "Kinder merken alles. Und wie sieht das denn aus, wenn beim Weihnachtsmann aus dem roten Mantel Jeans und Turnschuhe gucken?" Erlebnisse wie diese prägen: "Schau nur, der Weihnachtsmann hat eine Digitaluhr!" Da gibt es für den Köthener Ruprecht nur eins: "Alles muss stimmen." Und dazu kommt, dass man sich jedes Wort genau überlegen muss, selbst in Situationen wie dieser: Weihnachtsmann Hans Trenka macht seine Runde in der Schwimmhalle. Dicke Sachen an, drüber einen Postenmantel aus Schaffell, die Filzstiefel an den Füßen, im Gesicht den ersten dicken Bart aus Hanf - und drin in der Halle sind 35 Grad. Das eine Stunde lang auszuhalten und sich nicht zu beklagen - auch das macht einen echten Weihnachtsmann aus.

Und Improvisation. Zum Beispiel, wenn der Weihnachtsmann in Köthen auf dem Bahnhof ankommt, dann in die Kutsche steigt und diese nicht losfahren kann. Weil es eine andere ist als sonst und ein paar Schrauben an den Kotflügeln aufgrund des Trenka'schen Gewichts die Reifen blockieren. Also hat der Weihnachtsmann blitzschnell entschieden, mit seinen Helfern zum Markt zu laufen. Und alles war gut.

Was macht einen Weihnachtsmann noch aus? Eine eiserne Gesundheit, selbst wenn er krank ist. Auch das hat Trenka schon durch: Einmal war er auf dem Markt bei Regen und Wind nass geworden und tüchtig durchgefroren. Die Erkältung war perfekt, aber Hans Trenka zog seinen Job durch. Am 19. Dezember war in dem betreffenden Jahr Schluss gewesen auf dem Weihnachtsmarkt, am 20. Dezember lag der Weihnachtsmann im Krankenhaus: Lungenentzündung. Aufenthalt bis zum 9. Januar.

Viele Gründe zum Weitermachen

Stichwort Job: Wir reden hier von in manchem Jahr 40 bis 50 Einsätzen. Und das für eine Aufwandsentschädigung, die in anderen Ohren absolut lächerlich klingen würde. Aber Hans Trenka macht seine Sache nicht um des lieben Geldes wegen. Weswegen aber dann?

Das kann er gar nicht so genau sagen. Es sei eine Einheit aus vielem, meint er. Da wären zuerst die staunenden Kinderaugen, aber auch der Ehrgeiz, Älteren, die angeblich nicht mehr an den Weihnachtsmann glauben, eben diesen Glauben wieder abzuringen - und sei es nur für einen kurzen Moment. Da wären lustige und ernste Erlebnisse, und, und, und.

Jedenfalls Gründe genug für ihn weiterzumachen. Und zwar so lange, wie seine letzten Stiefel in der Größe 50 halten.