Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Zehn Schreckensminuten waren wie eine Ewigkeit
SCHEUDER/MZ. - Das hat das kleine Dorf Scheuder besonders zu spüren bekommen. Kaputte Dächer, zerschlagene Fensterscheiben, zerbeulte Autos - die schwere Gewitterwolke hinterließ hier eine Schneise der Verwüstung. Die Feuerwehr, die hier stundenlang im Einsatz war, spricht von 55 beschädigten Gebäuden.
Der Sturm hat die Scheuderer unvorbereitet getroffen. Viele von ihnen, besonders die Frauen, denken immer noch mit Angst und Schrecken an diese Augenblicke. "Schon die Wolke war zum Fürchten - grau-blau-gelb-grün", so Marianne und Karl Palkoska. "Auf einmal ging es los, es wurde immer mehr. Wir dachten, jetzt kommt das ganze Haus herunter. "
Nicole Mühlbach war mit ihren drei Kindern zu Hause, als das Unwetter ausbrach. "Wir hatten Todesangst. Deshalb sind wir im Kinderzimmer unter den Tisch gekrochen und haben nur noch gebetet, dass uns nichts passiert", berichtet die junge Frau. "Wissen Sie, wie schrecklich es ist, wenn man vom eigenen Kind gefragt wird: Mutti, müssen wir jetzt sterben?"
Wie eine Ewigkeit kamen die Schreckensminuten Anita Kühne vor. Ihr Mann, sie und ihr zehnjähriger Sohn kamen mit ihrem Auto gerade am Haus an, als der Sturm losbrach und die riesigen Hagelkörner auf das Haus und das Fahrzeug niedertrommelten. "Mein Mann hat seinen Kopf mit einer Platte geschützt und lief zum Haus", so Anita Kühne. "Mein Sohn und ich blieben im Auto: Auszusteigen wäre zu gefährlich. In Todesangst saßen sie da, ohrenbetäubend war der Lärm. "Ich sah, wie die Bälle herunterkamen...", beginnt die junge Frau und muss erst einmal Pause machen. Tränen laufen ihr über die Wangen.
Sie weint nicht nur wegen des erlebten Schreckens, sondern auch wegen der Verwüstungen, die am Haus der Familie nicht zu übersehen sind. "Das neue Dach ist zerstört, das Regenwasser drang in die Dämmschicht am Haus", zählt sie leise die Schäden auf.
Wie alle anderen Gebäude in Scheuder wurde auch das Haus der Dölles von Westen her vom Hagel erwischt, von wo die unheilvolle Wolke kam. Fenster gingen zu Bruch und Dachziegel. Die Fassade sieht aus, als hätte sie eine Maschinengewehr-Salve abgekriegt. Selbst ein dickes Plastik-Abflussrohr, das Regenwasser vom Dach ableitet, hat Löcher: Hier schlugen die Hagelkörner ein. Im Hof steht ein schmucker kleiner Peugeot: Scheiben kaputt, an der Karosse eine Delle neben der anderen.
Helmut Horn ist nicht mehr jung, in seinem Leben hat der Jäger schon einiges erlebt, an derartigen Hagel kann er sich aber nicht erinnern. "Das Ganze hat nur zehn Minuten gedauert. Ich habe einige Körner auf den Kopf abgekriegt", sagt er. "Zum Glück hatte ich eine Mütze an, sonst wäre es mir schlecht ergangen." Nachdem der Hagel das Dach seines Hauses in wenigen Minuten zerstörte, drang Wasser in die Wohnräume ein. "Bei meiner Tochter lagen sogar Hagelkörner im Bett", berichtet Horn. Den Schaden am Haus, dem Stall und der Scheune schätzt er auf rund 100 000 Euro ein. Zum Glück wickele die Versicherung den Fall zügig ab.
Dass Gröbste aufräumen, Schäden bei der Versicherung zu melden, einen Dachdecker zu finden - das sind Themen, mit denen sich die Scheuderer jetzt beschäftigen, über die sie miteinander reden. Sie jammern nicht - und sind froh, dass bei dem Unwetter kein Mensch verletzt oder gar getötet wurde. Ein Paar Hühner hat es erwischt. Und die Pflanzen. Die Gärten sehen aus, als ob hier eine Planierraupe im Einsatz war.