1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Köthen
  6. >
  7. Anhalt-Bitterfeld: Anhalt-Bitterfeld: Taubstumme in Togo unterrichtet

EIL

Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Taubstumme in Togo unterrichtet

Von HELMUT DAWAL 10.07.2011, 16:02

AKEN/MZ. - Auch im 402. Jahr ihres Bestehens hat die Akener Hortich-Stiftung ein Stipendium verliehen. "Es ist nur ein Stipendium, mehr können wir uns nicht leisten", bemerkte Pfarrer Ulf Rödiger zur feierlichen Übergabe am Samstagvormittag im Saal der evangelischen Kirchengemeinde. Immerhin waren es aber 1 000 Euro, die die Stiftung aus ihrem Vermögen locker machte, um mit dem Geld einem Studierenden unter die Arme zu greifen.

Bedacht wurde Arnon Greve aus Berlin. Er studiert in Saarbrücken und Metz grenzüberschreitende Kommunikationswissenschaften und freute sich sehr über den symbolischen Scheck und das Geld, das er von den Vierherrn, das sind die Vertreter des Leitungsgremiums der Stiftung, überreicht bekam. Und stellte im Anschluss nicht nur sein Studium vor, sondern berichtete auch über seinen halbjährigen Aufenthalt im afrikanischen Togo, wo er über die Hilfsorganisation Freiwilligendienste Experimente e.V. vom Oktober 2009 bis zum Frühjahr 2010 als Lehrer in einer Taubstummenschule arbeitete. "Während meines Abiturs habe ich eine Arbeit über Flüchtlingsströme geschrieben. Dieses Thema hat mich sehr interessiert. Deshalb habe ich nach einer Möglichkeit gesucht, mir vor Ort ein Bild zu machen, wie die Menschen in einem Entwicklungsland leben, welche Probleme sie haben", begründete der 23-Jährige, warum er sich für den Freiwilligen-Einsatz beworben hatte.

Arnon Greve nahm den kleinen Kreis der Zuhörer mit auf eine Reise in ein Land, in dem so vieles anders ist als im reichen Deutschland. Mit einigen Zahlen verdeutlichte er, welche Probleme das kleine Land hat, das gerade mal so groß wie Niedersachsen ist und rund 5,7 Millionen Menschen zählt. 10 000 Aids-Tote in nur einem Jahr, von 1 000 Neugeborenen starben 59 im Jahr 2007, die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 80 Prozent - es gibt viel sozialen Sprengstoff. Unterentwickelt ist die Infrastruktur. Elektrischen Strom gibt es nicht überall, nur wenige Straßen sind ausgebaut, von der Kanalisation ganz zu schweigen. "An einem Fluss bin ich auf eine ausgeschilderte Umweltaktion gestoßen. Sie bestand darin, die Menschen davon abzuhalten, in den Fluss zu kacken, um das Gewässer nicht zu verunreinigen", führte er ein weiteres Beispiel an.

In seine Arbeit in der Taubstummenschule, es ist die einzige ihrer Art in Togo, hat er sich nach besten Kräften reingekniet. Zunächst wurde Greve vom dortigen Lehrer in die Gebärdensprache eingewiesen. "Es gab auch ein kleines Lehrbuch, das mir geholfen hat, die Gebärdensprache noch besser zu verstehen", schilderte er. Das Alter seiner Schüler reichte von vier bis 30 Jahre. Das Schulgebäude war spartanisch eingerichtet, wie der Berliner anhand seiner in Aken gezeigten Fotos verdeutlichte. Grundkenntnisse in Mathematik und einigen anderen Fächern wurden den Taubstummen vermittelt. Die Arbeit mit seinen Schülern hat Arnon Greve Spaß gemacht. Doch steigt für die Taubstummen durch die Schule die Chance, besser durchs Leben zu kommen und Arbeit zu finden? "Sie haben es sehr schwer, irgendwo Fuß zu fassen", antwortete Greve mit Verweis auf die in Togo herrschenden Verhältnisse. Patrick Werner hörte den Ausführungen des Stipendiaten aufmerksam zu. Der junge Mann aus Edderitz wird im August für einen Monat nach Togo reisen, um seine Freundin Patricia Siegert zu besuchen.

Die Köthenerin, die Kommunikationspsychologie studiert hat, befindet sich seit Januar dieses Jahres in Togo, arbeitet dort über die Vermittlung einer Hilfsorganisation an einer Schule für gehörlose Kinder. "Ich wollte mich im Vorfeld mal informieren, auf was man alles so achten sollte bei einer Reise in dieses ferne Land", sagte Patrick Werner, der dann im Zwiegespräch mit Arnon Greve noch viele Detailfragen hatte.

Begleitet wurde Arnon Greve bei seinem Besuch in Aken von seinen Eltern. Die familiären Wurzeln reichen in die Elbestadt und in die Hortich-Stiftung. "Wir gehören zur Generation Zechlin. Meine Großmutter war eine geborene Zechlin", erzählte Cornelia Greve, die Mutter des Stipendiaten. Die Berliner kamen mit einer Viertelstunde Verspätung in Aken an. Arnon Greve entschuldigte sich dafür und versicherte, sich keineswegs eine Togoer Lebensart zu Eigen gemacht zu haben. "Dort haben die Menschen aber tatsächlich einen ganz anderen Umgang mit der Zeit. Wenn es heißt, es geht um acht Uhr los, kann es auch eine Stunde später geschehen und niemand stört sich daran."