Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Keine Zeugnisse von 1909 gefunden
PIETHEN/MZ. - Was mag wohl in der Kugel drin sein? Und ist überhaupt etwas drin? Diese Fragen beschäftigten all diejenigen, die am Donnerstag Vormittag verfolgten, wie die Turmspitze von der Piethener Kirche herunter genommen wurde. 101 Jahre stand sie da oben, Wind und Wetter ausgesetzt. Niemand hatte in dieser langen Zeit etwas an Kreuz und Kugel verändert.
Als die Holzkonstruktion, auf der das Kreuz steckte, mittels eines Kranes auf der Erde aufgesetzt wurde, machten sich Handwerker vorsichtig daran, die unterhalb des Kreuzes befestigte Kugel zu öffnen. Und bald machte sich Enttäuschung breit: Statt irgendwelcher Zeitdokumente aus dem Jahr 1909, als die Turmspitze nach dem Umbau der alten Kirche zu einer Jugendstilkirche aufgesetzt worden war, war nichts drin als Schmutz - keine Zeitung, keine Geldmünzen, keine Fotos. "Zum Inhalt hatte ich keine konkreten Erwartungen. Dass aber überhaupt nichts drin war, das hatte ich nicht erwartet", äußerte Architekt Steffen Bräunig aus Halle, der die Sanierung der Kirche betreut.
Auch Pfarrer Tobias Wessel war enttäuscht. Dabei hatte er sich gewünscht, wenigstens ein Foto oder eine Zeichnung zu finden, die hätte Auskunft geben können, wie vor einem Jahrhundert die Kirchenfenster gemustert waren. Zu diesem Detail tappt man nämlich gegenwärtig völlig im Dunkeln. "Leider wurden die Fenster zu DDR-Zeiten nach und nach eingeschlagen. Niemand weiß mehr, wie sie genau ausgesehen haben", sagte Wessel. Doch gerade der Denkmalschutz suche nach Informationen, um dann festzulegen, welches Muster die neuen Fenster erhalten sollen. Bei aller Enttäuschung ist der Pfarrer dennoch glücklich, dass es mit der Kirchensanierung so gut vorangeht. "Es ist schon ein kleines Wunder, dass das mit der Finanzierung so geklappt hat", bemerkte er. Immerhin habe sich die Kirchengemeinde mit gerade mal 3000 Euro Eigenmittel an das Vorhaben Sanierung gewagt. Dank des Konjunkturpaketes II und Zuwendungen der Landeskirche verfüge man jetzt über 195 000 Euro, die in die Kirche investiert werden.
Kreuz und Kugel liegen nun in der Werkstatt der in Piethen ansässigen Firma Lattauschky und Eckler Metallbau GbR. Die Handwerker werden die Spuren der Verwitterung beheben, Schadstellen ausbessern und alles gut konservieren. Das soll schon in Laufe der nächsten Woche geschehen, kündigte Steffen Bräunig an. Währenddessen werden die Arbeiten am Dachstuhl abgeschlossen. Und dann kann die restaurierte Kuppel wieder an ihren angestammten Platz gehievt werden. "Dieses Mal aber wird die Kugel gefüllt, um an die Sanierung zu erinnern", versicherte Pfarrer Tobias Wessel.
Die Piethener freuen sich über den Fortgang der Instandsetzung ihres Gotteshaus sehr. Das wurde einmal mehr beim jüngsten Hubertusgottesdienst am vergangenen Sonntag deutlich, teilte Helga Horn der Mitteldeutschen Zeitung mit. Zum zweiten Mal wurde dieses Fest abgehalten. "Die Kirche war bis auf den letzten Platz gefüllt", schilderte Frau Horn. Auch viele Besucher aus den umliegenden Orten, aus dem Saalekreis, Dessau und Halle seien gekommen. Pfarrer Wessel habe die Rekonstruktion der Piethener Kirche als Beispiel für eine gelungene Zusammenarbeit zwischen Evangelischer Landeskirche, Kirchengemeinde, Kommune und Architekturbüro gewürdigt. In seiner Predigt appellierte er an den verantwortungsvollen Umgang mit allem Lebendigen, nicht nur mit dem Wild, sondern auch mit den Nutztieren, die der menschlichen Ernährung dienen und noch zu oft unter nicht artgerechten Bedingungen gehalten werden.
In gemütlicher Runde klang der Festgottesdienst im Dorfgemeinschaftshaus aus, die Besucher ließen sich Wildschwein vom Spieß, Glühwein, Kaffee und Kuchen schmecken. Fleischer Tornack aus Gröbzig, Feuerwehr, Reit- und Fahrverein Piethen und die Piethener Frauen sorgten für die Bewirtung der Gäste und erhielten dafür viel Lob.