Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Frühere Thomaner beweisen ihre gesanglichen Qualitäten
KÖTHEN/MZ. - Am Altar standen die fünf Notenpulte zunächst verwaist da. Denn der Auftakt zum Sommerkonzert des Ensembles "Nobiles" vollzog sich oben auf der Empore. Mit "Herr, tue meine Lippen auf" begannen die fünf jungen Sänger im Alter von 19 bis 21 Jahren ihr Programm.
Und sie arbeiteten sich mit den nächsten beiden Titeln zum Altar vor. Singend und bedächtig schreitend nahmen sie den Weg durch den Hauptgang der katholischen Kirche St. Maria, die am Dienstagabend durch die Abendsonne in ein warmes Licht getaucht war und freundlich erstrahlte.
Die rund 220 Besucher in der vollbesetzten Kirche erlebten ein hervorragendes Konzert mit Sängern, deren Stimmen kraftvoll, je nach Liedstück aber auch leise und zurückhaltend erklangen. Die wunderbare Akustik des Gotteshaus trug das ihrige dazu bei, den Abend zu einem wahren Kunstgenuss zu machen.
Dabei ist "Nobiles", das es seit Januar 2006 gibt, kein Berufsensemble, sondern ein Zusammenschluss von jungen Männern, die alle eines vereint - die Liebe zur Musik und zum Gesang. Und gemeinsam haben alle Ensemblemitglieder, dass sie zum berühmten Leipziger Thomaner-Chor gehörten, dort eine neunjährige musisch vertiefte Ausbildung erhielten.
Was viele Konzertbesucher überraschte: Mit Paul und Lukas Heller gehören auch zwei gebürtige Köthener zu den Sängern. Paul Heller kam noch zu besonderen Ehren, denn das von ihm komponierte Lied "Kyrie eleison" erlebte in St. Maria seine Uraufführung. Was die Großeltern Heidemarie und Herbert Heller, die sich das Konzert natürlich nicht entgehen ließen, besonders stolz machte. Hellers - beide waren langjährige CDU-Stadträte - hatten ein klein wenig eine Aktie daran, dass die Veranstaltung in Köthen stattfinden konnte. "Das Ensemble war schon mal hier, 2008 bei der Bachnacht. Nun wollten sie bei ihrer Sommertour wieder nach Köthen kommen. Da haben wir mit Pfarrer Armin Kensbock gesprochen, ob er die Kirche dafür zur Verfügung stellt. Und er hatte nichts dagegen", sagte Heidemarie Heller im MZ-Gespräch.
Dass die Eltern der Zwillinge sich seinerzeit entschieden, ihre gerade neun Jahre alten Kinder in das Internat zu geben, war der Großmutter damals nicht einerlei. "Da bin ich zu sehr Glucke", räumte sie ein.
Immerhin sei das für die Zwillinge wie ein Weggang aus dem Elternhaus gewesen, und von da an seien sie nur noch Gäste gewesen. Jetzt sieht Heidemarie Heller das anders: "Die Entscheidung der Eltern war 100 Prozent richtig. Paul und Lukas haben bei den Thomanern eine tolle Ausbildung erhalten."
Das Quintett mit den Tenören Christian Pohlers und Paul Heller sowie den Bässen Julius Linnert, Lucas Heller und Lukas Lomtscher bot ein abwechslungsreiches Programm, dessen musikalisches Grundgerüst die "Deutsche Messe" von Franz Schubert bildete. Neben Liedern von Schubert erklangen auch Kompositionen von Hugo Distler, Heinrich Schütz und Thomaskantor Georg Christoph Biller. Die Gäste mussten wohl mehrfach an sich halten, um nach den einzelnen, exzellent vorgetragenen Liedern nicht zu klatschen. Zur Begrüßung hatte Julius Linnert darum gebeten, mit dem Beifall bis zum Ende zu warten, da das Programm in der inhaltlichen Gestaltung einem Gottesdienst folge. Als jedoch das letzte Lied "Verzeih uns Frieden gnädiglich" von Georg Christoph Biller verklungen war, konnten die Zuhörer alles nachholen und entließen "Nobiles" nicht ohne eine Zugabe. Mit dem "Abendständchen" von Felix Mendelssohn Bartholdy verabschiedete sich das Ensemble.
"Wir sind sehr zufrieden. Die Köthener waren ein wunderbares Publikum", äußerte Sascha Hille, Manager von "Nobiles", gegenüber der MZ. Roßwein, Karlstadt, Leipzig, Neuenkirchen und Delve sind die weiteren Stationen der Sommertour des Ensembles. Und danach widmen sich die Sänger wieder ihrem Studium oder der Ausbildung.