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Alte Gemüsekiste dient als Garage

Von Raimund Leonhardt 27.06.2006, 15:01

Köthen/MZ. - Funktioniert das Modell, dann wollen die jugendlichen Entwickler zur nächsten Phase übergehen und das Auto mit einer Länge von sechs Metern für die Straße bauen. Damit lässt sich dann durch Köthen surren. Ziel der Autobauer ist die Teilnahme an der "World Solar Challenge" 2007 in Australien. "Wir wollen durch das australische Outback", macht Michael Just, einer der Solarwagenbauer, schon mal Dampf. Das Rennen, zu dem sich nur die besten 30 Solarauto-Teams der Welt qualifizieren können, führt über eine Strecke von 3 000 Kilometer vom australischen Norden nach Süden.

Doch bis dahin ist noch einiges zu schaffen. Gegenwärtig gibt es erst einmal den kleinen Flitzer. Das lila "Baby" lässt sich noch in den Arm nehmen und zum Start tragen. Es ist aber Vorsicht geboten, denn die Solarzellen auf dem Dach des absolut nach Science-Fiction aussehenden Gerätes sind hauchdünn und sehr empfindlich.

Als "Garage" für ihr Solarcar, der in einer kleinen Werkstatt gegenüber dem Hugo-Junkers-Bau der Hochschule entstanden ist, haben die Konstrukteure einfach zwei spanische Gemüsekisten zusammengesteckt. Als Schutz gegen Kratzer und Beschädigungen dient luftgepolsterte Folie.

Der Wagen, so leicht er in der Hand wiegt, ist schon jetzt 20 000 Euro schwer. 90 Prozent dieser Summe haben in Gestalt von Material, Service oder Dienstleistungen Firmen wie RWE Solutions, Uhren- und Schmuck Köpke aus Köthen, die Altmärker Kunststofftechnik AKT, Car-Top oder Gouda vuturvast zur Verfügung gestellt. Die Solarzellen von RWE sind z. B. für die Raumfahrt bestimmt. Schmuck-Köpke spendierte Silber, auf dem die 0,1 mm dünnen Zellen den Strom weiterleiten. Gouda, ein weltweiter Hersteller von Steinen für Hochöfen, lieferte die Gussform.

Die Idee zum Bau des Fahrzeuges stammt von Robert Goldbach, der in Köthen im 6. Semester Elektrotechnik studiert. Zum engen Kern des Entwicklungsteams gehören Cindy Gommert - die 21-Jährige studiert im 4. Semester Maschinenbau - sowie Carsten Stottmeister (26), der im 8. Semester Maschinenbau steht. Michael Just und Marco Kämmerer sind beide 23 und Elektrotechnikstudenten. Betreut wird das Team von Professor Ulrich-Michael Eisentraut.

Der Wissenschaftler aus dem Fachbereich Elektrotechnik, Maschinenbau und Wirtschaftsingenieurwesen lobt Selbständigkeit und Kreativität der studentischen Sonnenwagen-Mannschaft. Die bringt es schon mal fertig, ihrem "Prof." am Sonntagabend eine E-mail mit einer Frage zu schicken, die sie gleich am Montag mit ihm diskutieren wollen.

Eisentraut unterstreicht, dass es sich bei dem Projekt um ein Gemeinschaftswerk der Studiengänge Elektrontechnik und Maschinenbau handelt. Auch die Informatik ist beteiligt. Es gibt Kooperationsbeziehungen zur Burg Giebichenstein und zur Uni Halle, Bereich Werkstofftechnik in Merseburg. "Die Studenten überzeugen durch viel Einsatz. Sie entwickelten ihr Engagement zunächst während eines Praktikums und arbeiteten dann ein Semester hauptamtlich daran", gibt der Professor einen Überblick. Eisentraut selbst ist auf Fahrzeugtechnik und Technische Mechanik spezialisiert.

"Wir wollen zeigen, dass wir auch ein Auto auf dem höchsten technischen Niveau bauen können", legt der Professor die Latte hoch. Zwar würden einige die Autobauer als "Paradiesvögel" belächeln, die "mal in Australien mit dem Auto die Wüste unsicher machen" wollen. Beim Solarauto gehe es aber um viel mehr: Die Studenten erarbeiten und beschreiben Ziele für Forschung und Konstruktion.

Sie recherchieren, treiben Sponsoren auf, reden mit den Kooperationspartner, kurzum, fasst Eisentraut zusammen: "Sie leisten all das, was der moderne Ingenieur heutzutage auch bewerkstelligen muss".

Um an Sponsoren heran zu kommen, "haben wir viel 'Vitamin B' gebraucht", lächelt Robert Goldbach vielsagend. Aber alles konnten die Kontakte über Familienangehörige, Freunde und Bekannte auch nicht erreichen. Das Lackieren des Modellwagens beispielsweise - "an sich dachten wir, dass ist ja nun ein Klacks" - stellte sich als Hürde heraus. Ein Lackierer behauptete, die Farbe würde nicht auf dem Kunststoff der Karosserie halten. "Ein anderer wollte Geld, das wir nicht haben", erzählt Goldbach. Schließlich hat es doch geklappt. Auch mit vielen Überredungskünsten. Inzwischen ist nicht nur das Modell fertig und fahrbereit. Es liegt auch eine Semesterarbeit vor, die die Frage "Was tun, um so ein Auto zu bauen?" zu beantworten sucht. Eine zweite Dokumentation erklärt, wie so ein Modell überhaupt gebaut wird.

Um in Australien eine Chance zu haben, ihr "richtiges" Solarmobil wird mehrere hunderttausend Euro kosten, suchen die Autobauer der Hochschule weiter nach Sponsoren. Wie bei der Formel 1 können sich die Unterstützer des Sonnenwagens per Aufkleber auf dem lackierten Kunststoff verewigen.

Prof. Ulrich-Michael Eisentraut ist an der Hochschule Anhalt unter 03496 67 24 27 zu erreichen. oder: [email protected].