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Ausbildung Zuwachs beim Handwerk im Landkreis Wittenberg

81 Ausbildungsverträge werden in Innungsbetrieben des Kreises geschlossen. Welche Branchen vom Trend profitieren und wer weiter Nachwuchssorgen hat.

Von Ute Otto und Annette Schmidt 24.08.2021, 10:28
Seit August sind Leonie-Josephin Krahn (l.) und Max Hurtzig die beiden neuen Auszubildenen im Autohaus Gottwald in Jessen.
Seit August sind Leonie-Josephin Krahn (l.) und Max Hurtzig die beiden neuen Auszubildenen im Autohaus Gottwald in Jessen. (Foto: Annette Schmidt)

Jessen/Wittenberg - Mit 81 neuen Ausbildungsverträgen in Innungsbetrieben des Kreises Wittenberg hat es gegenüber dem Vorjahr (69) einen Zuwachs gegeben. „Da hat wohl eine Wende im Denken der jungen Leuten stattgefunden“, kommentiert Kreishandwerksmeister Hendrik Hiller die Entwicklung. Das Schöne an einem handwerklichen Beruf sei doch, „das man zum Feierabend für sich etwas abrechnen kann“, also die eigene Leistung sehe.

Bei den Jungen hierzulande blieben Kfz-Mechatroniker bzw. Zweiradmechaniker die beliebtesten Handwerksberufe. Als erfreulich bewertet es Hiller aber auch, dass der Anlagenmechaniker für Heizung und Sanitär wieder mehr Zuspruch findet. „Die Branche ist doch von Nachwuchssorgen arg gebeutelt.“

Ausreißer in „Männerberufe“

Die jungen Frauen lassen sich laut Hiller in Handwerksbetrieben überwiegend zu Kauffrauen für Büromanagement ausbilden. Bei den Neuzugängen dieses Jahres sei aber auch eine Augenoptikerin. Und „Ausreißer“ in besonderer Hinsicht kann der Kreishandwerksmeister aus dem Jessener Bereich vermelden: Zwei junge Frauen lassen sich als Dachdeckerin beziehungsweise als Kfz-Mechatronikerin ausbilden.

Leonie-Josephin Krahn, die ihre Ausbildung am ersten August im Autohaus Gottwald angetreten hat, findet es überhaupt nicht ungewöhnlich, als Mädchen eine Handwerksausbildung zu machen, die von vielen als eine typisch männliche angesehen wird. „Mein älterer Bruder lernt jetzt im letzten Jahr Kfz-Mechatroniker. Durch seine Erzählungen bin ich auf den Beruf aufmerksam geworden“, so die 16-Jährige, deren jüngere Schwester auch Interesse für den Beruf der älteren Geschwister zeigt. Leonie-Josephin sagt, dass sie sich selbst nie in einem klassischen Bürojob gesehen habe.

Die Arbeit mit den Autos und den Kunden bietet ihr die Abwechslung und die Bewegung, die sie sich von ihrem Beruf wünscht. Auch wenn sie und Max Hurtzig, der auch in diesem Jahr seine Ausbildung im Jessener Autohaus begonnen hat, momentan lediglich mit der Feile an der Werkbank arbeiten dürfen, während die Autos nebenan in der Werkstatt sind. Der 16-Jährige ist über den Tag der Berufe auf seinen Ausbildungsbetrieb aufmerksam geworden.

Berufe ohne Nachfrage

Abgeschlagen bei den Berufswünschen ist hingegen der einstige Klassiker (zumindest bei den Mädchen) Friseur/in, Hillers eigene Branche. Und Konditor/in sei ebenfalls kaum gefragt.

130 Handwerksberufe werden in Sachsen-Anhalt ausgebildet. Zur frühzeitigen Orientierung empfiehlt der Kreishandwerksmeister den jungen Leuten Praktika. Sie mögen ruhig in den Betrieben nachfragen. In den Handwerksbetrieben des Kreises gibt es laut Hiller aktuell 311 Auszubildende über vier Jahrgänge. Die 81 Neuverträge müssen noch nicht der letzte Stand sein. Erfahrungsgemäß kommen bis September noch neue Lehrlinge hinzu. Über 300 Ausbildungsplätze sind im Kammerbezirk Halle noch unbesetzt.

Mit dem Azubi-Ticket, das es seit diesem Jahr in Sachsen-Anhalt gibt, dürfte eine längere Anfahrt in den Betrieb bzw. zur Berufsschule zumindest aus Kostengründen kein Ausschlusskriterium mehr sein. Die Pandemie habe den Auszubildenden einiges abverlangt. Der Berufsschulbetrieb war eingeschränkt, Prüfungen liefen unter erschwerten Bedingungen. „Wir wissen alle noch nicht, wie das jetzt weitergeht“, sagt Hiller.

Um zu sichern, dass die Ausbildung junger Leute trotz der Corona-Pandemie nicht auf der Strecke bleibt, gewährt das Land den Betrieben Ausbildungsförderung. „Allerdings ist die Ausbildungsvergütung von der Kurzarbeiterregelung ausgenommen. Die müssen die Ausbilder aus der eigenen Kasse bezahlen.“ Diesbezüglich hofften die Unternehmer auf Verbesserungen. (mz)